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gerathen. Die Gesellschafter verfolgen „das gleiche nicht aber
dasselbe Interesse“*15). Die Form der societas ist eine „selbst-
nützige“ egoistische. Im Gemeinwesen dagegen ist die Hingabe
an einen Zweck gefordert, der mit den eigenen der Genossen
in Conflict gerathen kann, welchem dann diese weichen müssen.
Ein Gemeinwesen steht als solches mit dem Staat in gar
keinem Zusammenhang. Der Staat selbst ist zwar auch ein Ge-
meinwesen, aber es können sich Gemeinwesen ohne, ausser und
über dem Staate bilden. Dasjenige wodurch sich das staatliche
‘Gemeinwesen von allen anderen unterscheidet, ist die Macht des-
selben. Es ist ein Centrum von Machtfactoren, welche bewirken,
dass es alle übrigen Gemeinwesen innerhalb desselben beherrscht,
indem es die Bildung von Gemeinzwecken ausser ihm controllirt
und wo es erspriesslich scheint, beeinflusst. Die Bildung eines
Gesammtzweckes und die Willensorganisation zur Verwirklichung
desselben erfolgt aber unabhängig vom Staate und ist die Basis
der Rechtsordnung des Gemeinwesens, seine Verfassung. Jedes
Gemeinwesen hat daher seine eigene Rechtsordnung; die Rechts-
ordnung des Staates unterscheidet sich von der aller übrigen Ge-
meinwesen nur durch seine überlegene Macht. Nur desshalb ist
sie heute „die Rechtsordnung“ schlechtweg und übt auf alle an-
deren Gemeinwesen einen rechtlichen Einfluss aus. Je nachdem
sie sich zu diesen billigend oder ablehnend verhält, entsteht ein
vom Staat genehmigtes, geduldetes oder verbotenes Gemeinwesen.
Allein auch der verbotene Verein ist ein Gemeinwesen „hat sein
eigenes Recht“ und seine eigene Verfassung; denn wie Tmon?')
sehr richtig bemerkt, „giebt es so viele Rechtskreise als es solche
Gemeinschaften von Menschen gibt.“
Allerdings kann auch der Staat ein Gemeinwesen schaffen,
indem er einer von ihm ausgewählten Mehrheit einen Gesammt-
zweck octroirt und eine Willensorganisation für dieselbe festsetzt;
215) KarLowa in Grünhut’s Ztschr. 1889. XVI. S. 396. — *'°) In
Grünhut’s Ztschr. VII. 1880. 8. 243. —