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wesen sei, mithin einen über den Interessen aller seiner Glieder stehen-
den Gemeinzweck zu realisiren habe, ist daher als selbstverständ-
liche Folge die juristische Persönlichkeit des Staates gegeben *?°).
Derselbe Process, der zwischen den Rechtsordnungen des
Staates und der ihm untergeordneten Gemeinwesen sich abspielt,
kann sich innerhalb dieser letzteren wiederholen, wenn sich von
einem grösseren Verbande, dem Rechtsfähigkeit zusteht, Theil-
verbände abzweigen, wie dies bei den verschiedenen Anstalten
innerhalb der Kirche der Fall ist. In der Anerkennung der
juristischen Persönlichkeit des weiteren Verbandes liegt dann auch
die Befähigung eingeschlossen, derlei Theilverbände oder Anstalten,
wie z. B. kirchliche Stiftungen, Domkapitel, Benefizien als ju-
ristische Personen zu constituiren.
Wenn nun ein Gemeinwesen als juristische Person anerkannt
wird, so ist die Thatsache, dass ein Gesammtzweck vorhanden
sei, gewöhnlich leicht zu constatiren, weil sich derselbe aus dem
staatlichen Constituirungsakt ergeben kann. Ein solcher muss aber
fehlen bei allen Verbänden, deren Zwecke nicht in das Rechts-
gebiet fallen oder bei solchen, über denen eine Rechtsordnung
nicht herrscht, wie bei Staaten und Staatenverbänden. Je kleiner
die Zahl der Genossen, je beschränkter Umfang und Dauer der
gemeinsamen Zwecke, je weniger mit einem Worte ein Zwiespalt
zwischen den Einzel- und Gesammtinteressen entstehen kann, desto
schwieriger wird es in solchen Fällen sein, festzustellen, ob sich
ein von den Zwecken der Mitglieder beziehungsweise des Herren
des Verbandes verschiedener Gesammtzweck ausgebildet hat und
als bindende Norm anerkannt wird. Oft genug sind sich die Be-
theiligten selbst darüber nicht klar, wie dies ja auf der Hand
liegt, wenn man bedenkt, dass die Entstehung eines Gesammt-
zweckes aus einem jener beiden Extreme ein Process sein kann,
220) Der Curiosität halber sei hier erwähnt, dass dieser Vorgang C.
BornHAK so fremdartig ist, dass er ihn (preuss. Staatsrecht I. S. 66)
mit dem sich an seinem Zopf ziehenden Münchhausen vergleicht. —
Archiv für öffentliches Recht. V. 2. - 17