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der Jahrhunderte währt und dessen unklares Stadium durch eine
lange Reihe von Kämpfen zwischen den um das Uebergewicht
ringenden Machtfactoren markirt sein kann. So entsteht beispiels-
weise die Idee der Staatspersönlichkeit langsam und allmälig in
Folge eines Ueberwiegens und Mächtigwerdens der Anschauung,
dass die Herrschaftsrechte des Monarchen nicht oder doch nicht
blos die eigenen Zwecke des letzteren zu erfüllen habe, sondern
dass über diesen die Gesammtzwecke der Gemeinschaft stehen,
zu deren Verwirklichung die Herrschaft des Monarchen nur ein
Mittel sein soll. Die publizistische Literatur zeigt uns die Ent-
wickelung dieser Anschauung aus den patrimonialen Ideen des
deutschen Territorialstaatsrechtes wie ein Barometer. Nachdem
schon GROTIUS es angedeutet hatte, dass die Selbständigkeit des
Zwweckes gegenüber den Interessen des Herrschers die Sklaven-
heerde oder Despotie von dem Staate unterscheide ??!), hat die
naturrechtliche Schule diesen Gedanken fortgebildet. J. S. PÜT-
TER ?°?) hat sodann ausgeführt, dass der Unterschied zwischen
der Herrschaft des Gutsherrn über seine Leibeigenen und der des
Monarchen im Staat nur darin liege, dass ersterer die Unter-
thanen seinen eigenen Zwecken dienen lasse, letzterer nicht. Eine
bestimmtere Formulirung erhält dieser Gedanke bei J. CHR.
Maser ?2®), indem derselbe die Interessen des Herrschers als
Privatmannes von denen des Regenten unterscheidet und den
Herrscher nicht ausserhalb des Staates stehen lässt, sondern als
Glied des Staates betrachtet. ALBRECHT°**) hat sodann diese
321) De jure belli ac pacis I. 3. Cap. VII. 14; II. 8. Cap. II. 1. —
222) Beiträge zum deutschen Staats- und Fürstenrecht. 1777. I. S. 317—350,
insbes. S. 320. — °2°) Allg. Einleitung in Privatfürstenrecht. 1783. S. 44 ff.
— 3224) Göttinger gel. Anzeigen. 1837. IH. S. 1489-1504; 1508—1515.
Die bezeichnendsten Stellen lauten (S. 1491): „Wir denken uns heut-
zutage den Staat nicht als &ine Verbindung von Menschen, die lediglich und
unmittelbar für individuelle Zwecke und Interessen derselben, sei es Aller
oder Vieler, oder auch eines Einzelnen, namentlich etwa des Herrschers,
berechnet ist, sondern als ein Gemeinwesen, als eine Anstalt, die über
den Einzelnen stehend, zunächst Zwecken gewidmet ist, die keineswegs bloss