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Auffassung in einer Recension des Maurenbrecher’schen Staats-
rechtes in classischer Weise formulirt, so dass dieselbe seither die
Grundlage der staatsrechtlichen Wissenschaft geblieben ist.
Dieser literarischen Bewegung entsprechend ist die Idee der
staatlichen Persönlichkeit hinsichtlich vereinzelter Punkte, wie der
bindenden Kraft der Regierungsacte der Vorgänger des Monarchen,
schon in der absolutistisch regierten Monarchie zum Durchbruch
gelangt; in der constitutionellen Monarchie kann die rechtliche
Ausprägung der staatlichen Persönlichkeit nur Derjenige ver-
kennen, der sich absichtlich die Augen verschliesst.
Es gab jedoch und gibt Verbände, bei denen dieser Process
nicht klar zu Ende gediehen ist. Die Bildung eines Gesammt-
zweckes ist ein intern-psychologischer Vorgang dessen Dunkel-
heiten dadurch natürlich potenzirt werden, dass er sich schliesslich
in einem Gedankengang (der „Anerkennung“) einer unbestimmten
Vielheit von Menschen verliert?®). Liegt eine ausdrückliche
Vereinbarung vor, dann ist die Sache freilich manchmal klar;
anders aber wenn eine solche fehlt. Dann einen Vertrag, einen
contractus socialis zu fingiren, ist zwar bequem; es kann aber
natürlich das Unwahre nicht dadurch wahr gemacht werden, dass
cs in spielender Weise als wahr angenommen wird. Vielmehr lässt
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die Summe individueller Interessen des Herrschers und der Unterthanen,
sondern ein höheres, allgemeines Gesammtinteresse bilden, von wo aus
erst mittelbar jenen Nahrung, Förderung, Richtung zu Theil wird. Somit
zerlegt sich das Leben des Einzelnen (Herrschers und Unterthanen) in zwei
Partien, die eine, in der er um jenes Allgemeinen willen, im Namen und
Dienste des Staates, als Haupt und Glied desselben, berechtigt oder ver-
pflichtet ist, die andere in der er, als selbständiges Individuum, um seiner
selbst willen Rechte oder um eines Anderen willen Verpflichtungen hat.
Indem wir somit in Beziehung auf das erste Gebiet dem Individuum alle
selbständige juristische Persönlichkeit (das um seiner selbst willen Berechtigt-
Sein) absprechen, werden wir nothwendig dahin geführt, die Persönlichkeit,
die in diesem Gebiete herrscht, handelt, Rechte hat, dem Staate selbst zu-
zuschreiben, diesen daher alsjuristische Person zu denken.“ Besseres
ist über die Natur des Gemeinwesens und des Staates insbesondere nie ge-
schrieben worden. — ?®*) Vgl. Bırrıme, Kritik der jur. Grundbegriffe T.
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