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schaft“ zu betrachten, so liegt derselben wie der verwandten Auf-
fassung von Heiligen u. s. w. als Rechtssubjecten neben einer
bemerkenswerthen Unklarheit über die Begriffe von Recht, Rechts-
ordnung und Rechtssubject wohl die Vorstellung zu Grunde, dass
die Heiligen der Kirche und Gott selbst in Christus’ Person
einst als Menschen auf Erden wandelnd Rechtssubjecte gewesen
sind ??7) und nunmehr ihre Seelen mit denen der noch lebenden
Christen einen gemeinsamen Verband bilden ?*®).
Davon abgesehen mag zugegeben werden, dass die Formu-
lir&ungen des Zweckmomentes bei den Oanonisten zu derlei Irr-
thümern Anlass bieten mochten. Wollte man es als wesentlich
ansehen, dass ein Object gewissen Zwecken factisch dient, so
gelangte man damit zu einer Ueberspannung des Zweckmomentes,
die allerdings zu Absurditäten führen muss?®).. Auch die
Inerin@’sche Formulirung entgeht diesem Vorwurf nicht. Allein
diese mangelhafte Fassung kann behoben werden, ohne dass man
deshalb den richtigen Kern der Zwecktheorie zu verwerfen braucht.
812. Nothwendigkeit der Verwerthung des
Willensmomentes im Rechtsbegriff.
Was ich hier Ueberspannung des Zweckmomentes genannt
habe, besteht darin, dass Manche das Willensmoment aus dem
247) Dies Moment verwerthet z.B. PurLipps, Lehrbuch des K.-R. $ 224 ff.
— 242) Hiermit steht wohl im Zusammenhang das Institut der Heiligsprechung
durch kirchliche Behörden und die eigenthümlichen processualen Formen der-
selben. Als eine sonderbare Consequenz jener Idee möchte ich es auch ansehen,
wenn MEURER a. a. OÖ. S. 118 ff. die Kirche 'als „göttliches Rechtssubject“
bezeichnet und das Wesen dieser „göttlichen Rechtssubjectivität der Kirche“ in
dem Beruf und der alleinigen Befähigung derselben zum „unfehlbaren Definiren“
erblickt. Es ist klar, dass diese ungemein verschrobene Idee auf einer hand-
greiflichen Verwechselung von Rechts- und Glaubensnormen beruht. — ?‘?) Die
bei einer solchen Annahme zu entdecken natürlich nicht schwer ist. S. z. B.
MEURER a@.a.O. S. 243 ff. oder LEONHARD in Grünhut’s Ztschr. X. S. 28, welch’
letzterer bemerkt, dass „ein Privatmann sich ganz in den Dienst eines Zweckes
stellen kann und dadurch nicht zur jur. Person wird“, was allerdings der