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gewordene Fortbildung des Rechtes durch Wissenschaft und
Praxis darstellt. Als hiermit im Zusammenhange stehend möge
des Problems vorübergehend gedacht werden, das allerdings seit
der Glossatorenzeit literarische Bearbeitung, aber noch keine
Lösung gefunden hat — ob und in wie weit Strafgesetze sich
auch gegen juristische Personen richten und ob dieselben generell
delictsfähig seien ?
Nicht minder wichtig ist die Frage, ob den juristischen Per-
sonen, diein unseren Verfassungen „Jedermann“ oder allen „Staats-
bürgern“, den „Deutschen“ u. s. w. gewährten „Grundrechte“ oder
„staatsbürgerlichen Rechte“ zukommen ? Wie steht es insbesondere
mit politischen Wahlrechten, mit dem Recht der freien Meinungs-
äusserung, dem Petitionsrecht, dem Hausrecht, dem Recht auf Wah-
rung des Briefgeheimnisses, dem Vereinsrecht, den nationalen, den
religiösen Rechten, dem Rechte auf Ehre? Lassen sich überhaupt
Juristische Personen als „Staatsbürger“ betrachten, denen ja in den
Verfassungen manche dieser Rechte reservirt zu werden pflegen?
Haben sie eine Nationalität, eine Religion? Kommt es in allen diesen
Beziehungen auf die Qualitäten aller Mitglieder, oder einiger, oder
der Majorität oder die der bezüglichen Organe an? Diese Fragen,
die hier blos aufgeworfen, nicht gelöst werden sollen, werden sich
kaum beantworten lassen, wenn man nicht auf Grund der eben
erwähnten Interpretation der diese Rechte gewährenden Gesetze
die Zwecke der einzelnen juristischen Personen in concreto ins
Auge fasst. In dieser Beziehung wird man wohl einen Unter-
schied machen müssen zwischen solchen, welche ihre Zwecke vom
Staate octroirt erhalten, die daher in der Regel zugleich staat-
liche Organe sein werden und solchen, deren Gemeinzweck sich
von innen heraus frei gebildet hat. Diesen letzteren wird man
alle in den Verfassungen den „Staatsbürgern“ gewährten Rechte
zuschreiben müssen, welche zur Erfüllung ihrer Gemeinzwecke
nöthig oder nützlich sind; jenen ersteren aber nicht.
In der Praxis werden die hier berührten Probleme sehr