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das einzige Merkmal, welches beiden Arten von ÜÖrganismen
gemeinsam ist. Diese letzteren unterscheiden sich sehr wesent-
lich dadurch von einander, dass im physischen Organismus die
Einheitlichkeit des Willens durch die Natur selbst gegeben ist,
während sie im Verbandsorganismus aus einer Vielheit von Einzel-
willen erst erzeugt werden muss, also gerade durch jenes Moment,
welches man als „Willensorganisation“ im engeren Sinn zu be-
zeichnen gewohnt ist.
Es besteht also beim physischen Organismus eine psychische
Einheit, beim Verbandsorganismus eine psychische Vielheit von
Einzelwillen, die erst durch das Medium einer, sei es gewillkürten,
sei es aufgezwungenen Anerkennung eines herrschenden Willens,
somit durch eine Vielheit von Willensoperationen zu einer Einheit
wird. Dieser Unterschied, so tief er greifen mag, berechtigt aber
durchaus nicht, den letzteren ans dem Begriffe der Organismen
auszuscheiden.
Denn dieser Unterschied wird aufgewogen durch die Aehn-
lichkeit, welche diejenigen Theile des physischen Organismus, die
man als Glieder zy bezeichnen gewohnt ist, mit den Willens-
trägern im Verbandsorganismus insoferne aufweisen, als beide ge-
rade jene Bestandtheile des Organismus sind, welche mit der
Aussenwelt in Contact treten. Dadurch gewinnt es auch beim
ersteren den Anschein, als ob die Glieder thätig würden und
handelten, nur dass dieses Handeln der Glieder dort bloss ein
Schein ist, weil der es bedingende psychische Vorgang ein ein-
heitlicher ist. Beim letzteren dagegen handeln die Träger des
herrschenden Willens selbständig und ihre Handlungen unter-
scheiden sich von den Individualhandlungen derselben nur durch
die Zwecke, denen sie dienen. Eben desshalb trifft die Bezeich-
nung dieser Träger des herrschenden Willens als „Organe“ den
Nagel auf den Kopf; denn sie besagt uns gleichzeitig, dass dieser
herrschende Wille, wenn er als Organ handelt, nicht die Interessen
seines Trägers, sondern die Geesammtinteressen verwirkliche.
Archiv für öffentliches Recht. V. 2. 19