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rechtsordnung anerkannte) Interesseneinheit vor, so dass die
Ausübung des Rechts auf die Verwaltung seitens des einen
Staates die Ausübung des Rechtes des anderen Staates, der das
Subject desselben bleibt, involvirt.
In reichster Fülle und vielgestaltigster Form aber ist das
antiegoistische Motiv durch die Ausgestaltung des Verbandslebens
im germanischen Recht verwerthet worden. Die begriffliche Con-
struction dieses Gemeinschaftsverhältnisses ist ganz einfach: es
besteht hier eine Rechtsgemeinschaft der geschilderten Art zwischen
dem Individuum und dem Verbande als Einheit aller Genossen
gedacht; der Zweck, der das Substrat des getheilten Rechtes bil-
det, ist als der des Individuums von der Rechtsordnung anerkannt
und zugleich als der Gesammtzweck des Verbandes; seine Er-
füllung ist somit bedingt durch die Mitgliedschaft in demselben
und in mannigfaltigster Weise durch die Beschaffenheit des Ge-
sammtzweckes oder das Vorhandensein einer Mehrheit anderer,
dazu tretender Gemeinschafter beeinflusst.
Es ist unschwer zu erkennen, dass gerade hiermit jene Rechts-
gebilde charakterisirt sind, welche man einerseits als „genossen-
schaftliche“ Verbände des deutschen Rechtes, andererseits als
„Gesammteigenthum“ und als „getheiltes Eigenthum® in den
Reihen derjenigen zu bezeichnen gewohnt ist, welche an roma-
nistischer „Logik“ Mangel leiden. Dass in diesen Instituten ein
tiefer ethischer Kern von unberechenbarer Tragweite liegt, ist
nicht zu bezweifeln; sie enthalten ein moderirendes Element
gegenüber der centralistischen Tendenz des Verbandslebens, die
Anerkennung und Beschützung des Individualinteresses im und
auch gegenüber dem Verbande als Ganzen, soweit es mit der
gesicherten Existenz des letzteren verträglich ist, freilich auch wie
die deutsche Rechtsgeschichte leider lehrt, oft genug über diese
Grenze hinaus. Sie sind somit Ausflüsse jenes grossen Rechts-
gedankens, der das antike Gemeinwesen, in dem die Zwecke des
Einzelnen in denen des Verbandes völlig aufgehen, vom germa-