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nischen unterscheidet, nämlich der Anerkennung einer Sphäre von
Sonderinteressen gegenüber dem Gemeinwesen, in die einzugreifen
diesem verwehrt sein soll.
Juristisch gesprochen charakterisirt sich also dies Verhältniss
auch hier so, dass Subject eines und desselben Rechtes zwei
Rechtssubjecte, nämlich sowohl die Gesammtheit als das Indi-
viduum sind und dass die Möglichkeit der Interessenidentität und
die Vertheilung der Willensmacht hinsichtlich der Rechtsausübung
gegeben ist durch die Mitgliedschaft im Verbande. Und genau
dasselbe Verhältniss kann sich ergeben, wenn das Individuum, von
dem soeben gesprochen, nicht ein einzelner Mensch, sondern selbst
wieder ein Verband ist, der somit in dieser Lage zugleich Mit-
glied eines höheren Verbandes und juristische Person ist.
Diese Form kann also der Verbandsorganismus annehmen,
und es ist bekannt, in welchem intensiven Umfang das germanische
Rechtsleben dieselbe realisirt hat; es ist somit allerdings die Mög-
lichkeit gegeben, dass eine „Person als solche zugleich ein orga-
nischer Theil einer höheren Verbandsperson“?®°) ist. Allein in
diesem Moment das charakteristische Merkmal des Verbands-
organismus überhaupt zu finden, halte ich für verfehlt. Auch
dort, wo der Einzelne an der Willensherrschaft über sein Inter-
esse keinen Antheil hat, somit lediglich von einem übergeordneten
Willen beherrscht wird, sehe ich — was freilich das Willens-
dogma nicht kann — im Verbande einen Organismus, sobald dieser
herrschende Wille nicht seine eigenen oder fremde Interessen
durch die Herrschaft realisirt, sondern den nach seiner besten
Einsicht ausfindig gemachten Gesammtzweck der Menge als einer
Einheit und in ihm nach dem Durchschnitt (aber freilich nur
nach dem Durchschnitt, nicht in allen concreten Fällen) zugleich
die Interessen des einzelnen Mitgliedes. Somit betrachte ich denn
jene Ansicht als eine durch das germanistische Ideal bewirkte
380) PrEuss a. a. O. S. 164.