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juristische Personen betrachtet werden können. Gleichwohl haben
wir eine Reihe von solchen Willensträgern begegnet, die „eigene“
Rechte auf ihre Competenz haben und dennoch Organe sind.
Wie dieser scheinbare Widerspruch zu lösen, wie es zu verstehen
sei, dass ein und dasselbe Recht zwei Subjecten zustehen und
doch ein und dasselbe Recht bleiben könne, das ist in den eben
beendigten Ausführungen (88 15—20) zu erklären versucht worden.
Ist diese Erklärung richtig, so können wir innerhalb des Staates
dem Monarchen, den Selbstverwaltungskörpern, innerhalb der
Kirche den Beneficiaten, Fabriken und Stiftungen „eigene“ und
zugleich fremde Rechte an ihren Befugnisssphären zuschreiben,
ohne in Widerspruch zu gerathen und es zeigt sich, dass die eben
besprochene Form der Rechtsgemeinschaft jenes Gebiet ist, wo
die sich scheinbar völlig ausschliessenden Begriffe „eigenes“ und
„fremdes“ Recht zusammenfallen. Von diesen Fällen abgesehen
aber bleibt es bei der Regel, dass die Organe eines Gemeinwesens
oder einer Anstalt keine „Rechte“ auf ihre Competenz haben,
dass sie nicht Rechts- sondern nur Willensträger sind und es ist
daher die Ansicht GIERKE’s und seiner Schule, dass es ein cha-
rakteristisches Merkmal jeden Gemeinwesens sei, dass alle seine
Organe zugleich Persönlichkeiten seien, unrichtig.
Freilich setzt sich ein verbreiteter Sprachgebrauch über
jene Regel hinaus. Man nennt das Amt „berechtigt“ zu dieser
oder jener Function, zwei Aemter streiten sich über ihre Com-
petenz, es wird gar ein Process darüber geführt und ge-
urtheilt u. s. w. Allein, sofern es sich eben nicht um jene
„eigenen“ Rechte von Selbstverwaltungskörpern u. dgl. handelt,
ist hier das Wort‘ „Recht“ und „berechtigt“ in einem untech-
nischen Sinne genommen, welcher nur besagen will, dass das-
jenige, was dem Beschauer oder Betroffenen zunächst ins Auge
fällt, der herrschende Wille, von diesem oder jenem
Amte erzeugt wurde, dass die „Verfügung“ von ihm ausgegangen
ist. Bei näherer Besinnung wird wohl Niemand, der jenem Sprach-