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Unterthan eines dritten Staates ist, wird regelmässig *) vorgeschrie-
ben, es solle dann der ersuchte Staat diesem letzteren Anzeige
machen, und wenn dieser seinerseits die Auslieferung des Beschul-
digten beansprucht, um ihn vor seine Gerichte zu stellen, so könne
die ersuchte Regierung nach ihrer Wahl dem einen oder dem
anderen Staat ausliefern.
Nirgends wird in diesen Verträgen auch nur mit einer Silbe
angedeutet, dass der Beschuldigte das Inland betreten haben und
dass während seines Aufenthaltes das Verfahren eingeleitet sein
müsse, damit das Ersuchen um Rechtshilfe zulässig sei.
Sodann wird dem ersuchten Staat nur die Befugniss er-
theilt, den dritten Staat in Kenntniss zu setzen; keineswegs ist er
dazu verpflichtet. Ein Vertrag zu Gunsten Dritter, welcher diesen
letzteren einen Anspruch gewährte, liegt nicht vor.
Endlich kann die Auslieferung an den dritten Staat nur
erfolgen, wenn dieser sie begehrt, um den Beschuldigten vor seine
Gerichte zu stellen. Daraus folgt, dass die Handlung nach dem
Recht dieses Staates und zwar event. als eine im Ausland began-
gene strafbar sein muss. Nehmen wir also an, ein Engländer habe
in Frankreich deutsche Banknoten nachgemacht und sich hierauf
nach der Schweiz geflüchtet, so kann Deutschland seine Auslie-
ferung verlangen und die Schweiz ist zu ihrer Gewährung ver-
pflichtet. Zwar könnte die Schweiz zunächst England in Kennt-
niss setzen, da dieses aber wegen der von seinen Unterthanen
im Ausland begangenen strafbaren Handlungen fast ausnahmslos?)
nicht einschreitet, so könnte es auch die Auslieferung des Beschul-
digten, „um ihn vor seine Gerichte zu stellen“, nicht begehren,
und das an sich vorhandene Wahlrecht der Schweiz, an England
oder an Deutschland auszuliefern, greift daher nicht Platz.
Das gebrauchte Beispiel wird aber auch erkennen lassen,
dass diese Regelung eine vollkommen angemessene ist. Sofern
*) Die Vorschrift fehlt nur in dem Vertrage mit Grossbritannien.
5) Vgl. v. Marıız a. a. O. S. 75, Anm. 3.