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einen Unterschied machen? Soviel ich sehe ist wenigstens die
Existenz eines solchen bisher noch nicht behauptet, geschweige
denn als gerechtfertigt und geboten, oder gar als positiv rechtlich
bestehend nachgewiesen worden.
Kurz, bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die von v. MAr-
Tırz vertretene Auffassung auch von der äussersten Unklarheit
ist. Was wird eigentlich gefordert? dass der Ausländer, welcher
im Ausland ein Verbrechen begangen hat, das Inland nach seiner
That betreten hat? oder dass er sich dauernd darin aufhält? oder
dass er in der Absicht, sich der Strafverfolgung zu entziehen, es
wieder verlassen hat? ist es dabei erheblich, dass dies nach Ein-
leitung der Untersuchung (überhaupt oder gegen ihn?) geschehen
ist? Und welches ist die Wirkung, wenn diese Bedingung nicht
eingetreten ist? handelt es sich um eine Bedingung der Strafbar-
keit, so dass der strafrechtliche Anspruch des Inlandes vorher
überhaupt nicht existirt? oder ist zwar der Strafanspruch existent,
aber die Verfolgung unzulässig? oder kann etwa nur die Aus-
lieferung von dem Zufluchtsstaat nicht begehrt werden? —
Die unternommene Abschweifung mag noch dadurch ihre
Rechtfertigung erhalten, als sich aus derselben die praktische
Bedeutung der hier vertretenen Anschauung in gewissen Bezieh-
ungen erkennen lässt. Denn was über den Inhalt der vom Deut-
schen Reich abgeschlossenen Auslieferungsverträge mitgetheilt
wurde, lässt erkennen, dass in sehr bedeutendem Umfang die Aus-
lieferung des Inländers wie des Ausländers, selbst wenn derselbe
im Ausland delinquirt hat, vertragsmässig festgesetzt ist.
Im Uebrigen mag noch Folgendes hervorgehoben werden.
Die Durchführung des Strafverfahrens gegen einen im Ausland
befindlichen Beschuldigten wird ja in vielen Fällen zunächst that-
sächlich unmöglich sein. Aber trotzdem ermangelt es nicht der
praktischen Bedeutung, dass das Verfahren gegen ihn schon jetzt
juristisch zulässig ist. Denn dies ermöglicht es, gleich alle Vor-
kehrungen für den Fall zu treffen, dass sich die Situation ver-