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Ausschluss der Einzelstaaten die Gesetzgebung, Rechtsprechung
und Justizverwaltung auf criminellem Gebiete an sich nehmen.
Oder er konnte sich darauf beschränken, Gesetze über das mate-
rielle Strafrecht und das Strafverfahren zu erlassen, die Ausführung
und Handhabung derselben aber den Einzelstaaten überlassen.
Gemeint war indessen wohl nur die letztere Methode. Darauf
lässt die Incorrectheit schliessen, deren sich der Art. 4 schul-
dig macht, indem er in No. 13 pleonastisch die Gesetzgebung
hervorhebt, von der doch schon in den Eingangsworten des Ar-
tikels die Rede war. Eine so weitgehende Reduction ihrer Be-
fugnisse, wie sie die Uebertragung der ganzen Rechtspflege an
den Bund bewirkt haben würde, lag nicht in der Intention der
zum Bund zusammentretenden Regierungen.
Allein die consequente Festhaltung dieses Standpunktes er-
wies sich als unausführbar. Zunächst auf dem Grebiete des
Handelsrechtes machte sich das Bedürfniss nach einem gemein-
samen obersten Gerichtshof fühlbar, der die Einheit der Recht-
sprechung sicherstellte..e So wurde im Jahr 1869 das Bundes-
oberhandelsgericht niedergesetzt. Die principielle Bedeutung dieser
Massregel war sehr erheblich. Denn dadurch wurde seitens des
Bundes über die Aufgabe der Gesetzgebung hinausgegangen,
Rechtsprechung und Justizverwaltung in bestimmtem Umfang selbst
übernommen. Ging also die Intention des Art. 4 No. 13 in der
That dahin, die Competenz des Bundes auf erstere (die Gesetz-
gebung) zu beschränken, so enthielt jenes Gesetz eine Aenderung
der Verfassung.
Bei der Gründung des Deutschen Reiches wurde nun aber
das Bundesoberhandelsgericht mit übernommen. Damit war für
das Reich die Sachlage insofern eine andere, als seine Befugniss
zur eigenen Ausübung der Gerichtsbarkeit von vornherein fest-
stand. Es war jetzt nur noch eine processualische Frage, ın
welchem Umfang diese dem Reich selbst zukommen sollte. Selbst
wenn die Processordnungen diese Grenzen sehr weit gesteckt