Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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hätten — etwa auf alle ordentlichen Gerichte schlechthin aus- 
gedehnt —, so hätte darin eine Verfassungsänderung nicht mehr 
gelegen. 
Die Theilung zwischen dem Reich und den Einzelstaaten ist 
nun aber bekanntlich in der Weise vorgenommen, dass alle Ge- 
richte Behörden der Einzelstaaten sind, mit Ausnahme des Reichs- 
gerichtes — von den Üonsular- und Marinegerichten kann hier 
abgesehen werden —; das Reichsgericht aber functionirt theils als 
Revisionsgericht, theils als Gerichtshof erster und letzter Instanz 
bei Hochverrath und Landesverrath gegen Kaiser und Reich. 
Es wäre nun durchaus irrig, zu glauben, dass diese letztere 
Anordnung auf einer staatsrechtlichen Nothwendigkeit beruhte, 
oder dass der der Anordnung zu Grunde liegende Gedanke ein 
juristisch correcter wäre. Man sieht leicht ein, dass mit diesen 
Handlungen der Kreis der gegen Kaiser und Reich direct gerich- 
teten Verbrechen keineswegs geschlossen ist. Thätlichkeiten gegen 
den Kaiser und Beleidigungen desselben, Widerstand gegen Reichs- 
beamte, öffentliche Aufforderung zum Ungehorsam gegen Reichs- 
gesetze, Hinterziehung von Reichsabgaben, Erregung von Meuterei 
im Heer und der Marine etc. etc. haben diese Bedeutung eben- 
falls. Und es trifft nicht einmal zu, dass gegenwärtig gerade die 
schwersten dieser gegen Kaiser und Reich gerichteten Handlungen 
dem Reichsgericht zugewiesen sind. Denn die Thätlichkeit (Str.- 
G.-B. 8 94) ist mit schwererer Strafe bedroht, als die Vorberei- 
tungen zum Hochverrath. Die Willkürlichkeit der Abgrenzung 
liegt also klar zu Tage. Man hätte sehr wohl auf diese eigene 
Gerichtsbarkeit des Reiches überhaupt verzichten können, wie 
dies denn auch factisch geschehen ist, sofern die Handlung von 
einer Person des Soldatenstandes begangen wurde; oder man hätte 
sie etwa auf die Fälle der 88 80, 81 beschränken können 'P). 
  
10) Ebenso ist es strafrechtlich unzulässig, scharf zu unterscheiden, ob 
Hochverrath oder Landesverrath gegen den Kaiser bezw. das Reich, oder 
aber ob sie gegen die Bundesstaaten bezw. deren Souveraine gerichtet sind.
	        
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