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und von diesem der Hamburger Senat aufgefordert, die Anklage-
erhebung zu veranlassen !!).
Hieraus ist zu entnehmen, dass es zwar formell richtig ist,
der materiellen Sachlage aber nicht entspricht, wenn in G.-V.-G.
$ 148 die Landesjustizverwaltung als die letzte Aufsichtsinstanz
für die staatsanwaltlichen Beamten ihres Bezirkes angeführt wird.
Denn auch die Landesjustizverwaltung untersteht der Aufsicht der
Organe des Reiches.
Das ganze Verhältniss, wie es im Bisherigen geschildert ist,
ist nun aber nur der adäquate Ausdruck für die Thatsache, dass
bei den durch Reichsgesetz bedrohten Handlungen die strafrecht-
lichen Ansprüche principiell dem Reich zustehen und dass nur
ihre Geltendmachung den Einzelstaaten überlassen ist!?).
Den Beweis hierfür erbringen die vom Reich abgeschlossenen
Auslieferungsverträge und die in diesen gebrauchte Ausdrucks-
weise. Das Reich hat sie zwecks Sicherung seiner Ansprüche
abgeschlossen; es spricht in ihnen von den Behörden der Bundes-
staaten als seinen Behörden. Zu berücksichtigen sind insbeson-
dere auch die Bestimmungen, nach welchen in gewissen Fällen
keine Auslieferung oder Rechtshilfe stattfinden soll. Es wäre
höchst auffallend, wenn hier das Reich auf Ansprüche resp. Re-
alisirungsmittel von solchen verzichten wollte, wenn diese gar
nicht ihm, sondern den Einzelstaaten zuständen.
Es kann ferner vorkommen, ‚dass durch die Begehung eines
Verbrechens dem Inland ein strafrechtlicher Anspruch erwächst,
dass aber zunächst noch zweifelhaft ist, von welchem Bundesstaat
die Geltendmachung erfolgen wird. So wenn ein Verbrechen im
Ausland begangen ist, welches nach inländischem Recht strafbar
ist, sofern eine Ergreifung nicht stattgefunden hat und ein Wohn-
1!) Das deutsche Strafgesetzbuch und polizeilich concessionirte Bordelle.
Actenstücke einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem deutschen Reichs-
kanzleramt und dem Senat von Hamburg. Hamburg 1877.
12) Binoine, Handbuch des Strafrechtes, Bd. I, S. 477 f.