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sitz oder letzter Wohnsitz im Inland nicht vorhanden oder nicht
bekannt ist. Hier wird das zuständige Gericht vom Reichsgericht
bestimmt Str.-P.-O. $ 9 Abs. 1 a. E. und erst durch. diese Zu-
weisung erhält der betreffende Bundesstaat ein Verhältniss zur
Sache. Der Anspruch kann vorher nur dem Reich zugestanden
haben.
Die Vertheilung der strafrechtlichen Ansprüche unter die
einzelnen Bundesstaaten behufs Geltendmachung derselben ist
durch Reichsgesetz erfolgt. Es kann nun sehr wohl vorkommen,
dass mehrere Staaten im Einzelfall concurrirend berufen sind.
Dann bewirkt nach Massgabe des Reichsgesetzes die Ausübung
des Rechtes durch den einen die Ausschliessung des anderen.
In umfassendstem Masse besteht die Möglichkeit eines Wechsels,
so dass an Stelle des ursprünglich berufenen Staates ein anderer
tritt: der Verbrecher verlegt z. B. nach Begehung seiner That
seinen Wohnsitz aus dem einen Bundesstaat in einen anderen.
Dann ist jetzt dieser zur Klageerhebung berufen, event. neben
demjenigen, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde. Auch
während der Dauer des Verfahrens kann die Uebertragung von
einem Gericht an das eines anderen Bundesstaates, im Fall des
Zusammenhanges auch an das Reichsgericht erfolgen. Kurz, es
erscheint als etwas vollkommen gleichgiltiges, ob die Geltend-
machung durch den einen oder durch den anderen Staat erfolgt '®).
18) Das im Text geschilderte Verhältniss besteht aber nur bei den durch
Reichsgesetz, nicht bei den durch Landesgesetz bedrohten Handlungen.
Wenn das Reich es unterlassen hat, eine Handlung unter Strafe zu stellen,
so bringt es damit zum Ausdruck, dass seine Interessen durch die Begehung
derselben nicht berührt werden. Macht nun ein Einzelstaat von der Be-
fugniss Gebrauch, welche das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch ein-
geräumt hat, und erlässt bezüglich derselben ein Strafgesetz, so ist das seine
interne Angelegenheit. Zwar erfolgt die Aburtheilung nach Massgabe der
Str.-P.-O. Aber wenn z. B. der Gerichtsstand des Wohnsitzes ausserhalb
dieses Staatsgebietes belegen wäre, so könnte in ihm die Anklageerhebung
nicht erfolgen. Denn ein badisches Gericht könnte nicht auf Grund eines
hessischen Gesetzes verurtheilen. Der strafrechtliche Anspruch steht hier