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Reich ist nun aber auch in einer m. E. zweifellosen Weise vor-
genommen worden. Das Reichsgesetz erklärt, und zwar ohne
jede Beschränkung, bestimmten landesrechtlichen Vorschriften
gegenüber selbst nur subsidiäre Geltung haben zu wollen. Dies
führt bei den Mitgliedern der landesherrlichen Familien dazu,
dass die Zuständigkeit keines deutschen Gerichtes, auch nicht
des Reichsgerichtes, durch Berufung auf die Vorschriften des G.-
V.-G. und der Str.-P.-O. begründet werden kann, wenn die Haus-
verfassung oder das Landesgesetz für sie ein besonderes Gericht
niedergesetzt hat.
Es handelt sich hiernach niemals darum, dass die Behörde
des einen Particularstaates das Gesetz eines anderen anwendet;
sondern nur darum, dass es das Reichsgesetz nach Massgabe der
eigenen Vorschrift nicht anwendet.
Desshalb bedurfte es allerdings in dem Reichsgesetz weiterer
Vorschriften für den Fall, dass dieses sozusagen rein negative
Ergebniss nicht ausreicht. Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein
Mitglied einer landesherrlichen Familie ausserhalb seines Heimaths-
staates als Zeuge vernommen werden solle Aus dem soeben
Ausgeführten geht hervor, dass der als Zeuge vorgeladene Prinz
nicht in Gemässheit der Str.-P.-O. zu erscheinen brauchte, wenn
sein Landesgesetz ihn von dieser Verpflichtung befreit. Das
Processgericht eines anderen Bundesstaates wäre aber nicht in der
Lage, auf Grund jenes Particulargesetzes auf die mündliche Aus-
sage zu verzichten und das Protokoll über die in seiner Wohnung
vorgenommene Vernehmung in der Hauptverhandlung zu verlesen.
Die Ermächtigung hierzu konnte vielmehr nur durch Reichsgesetz
(oder durch Particulargesetz des eigenen Staates) ertheilt werden,
und dies ist in Str.-P.-O. 8 71 geschehen. — Hierin liegt die
Bedeutung dieses Paragraphen in .erster Linie; in zweiter darin,
dort ein Privilegium zu gewähren, wo es particularrechtlich nicht
besteht.
IV. Die Standesherren, sofern ihnen am 1. October 1879