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landesgesetzlich das Recht auf Austräge gewährt war E. G.-V.-G.
8 7. Neu eingeführt darf dasselbe nicht werden. Das Privilegium
beschränkt sich auf die Häupter der standesherrlichen Familien
und darf auf die Mitglieder der Familie nicht ausgedehnt werden 1%).
V. Die Mitglieder des deutschen Reichstages dürfen während
der Sitzungsperiode desselben nur mit seiner Genehmigung zur
Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, ausser wenn sie bei
Ausübung der That oder im Lauf des nächstfolgenden Tages ergriffen
werden. Auf Verlangen des Reichstages wird ein Strafverfahren
gegen eines seiner Mitglieder für die Dauer der Sitzungsperiode
aufgehoben (R.-Verf. Art. 31). — Nach E. Str.-P.-O. 8 6 sind
die landesgesetzlichen Bestimmungen über die Voraussetzungen,
unter welchen gegen ein Mitglied einer gesetzgebenden Versamm-
lung während der Dauer einer Sitzungsperiode ein Strafverfahren
eingeleitet oder fortgesetzt werden kann, in Kraft verblieben.
Dass hier keine materiellrechtliche Exemtion statuirt wird,
bedarf kaum ausdrücklicher Erwähnung. Auch die processualische
ist zeitlich beschränkt, von Ausnahmen durchbrochen und kann
durch Beschluss der gesetzgebenden Versammlung beseitigt werden.
Auch hier wird nun gestritten, ob sich die Privilegien in
ihrer Wirksamkeit auf den betreffenden Bundesstaat beschränken,
oder in ganz Deutschland respectirt werden müssen !?), Die bei
den Untersuchungen angewendete Methode, die Entstehung des
Privilegiums und auf diese Weise das juristische Wesen desselben
klar zu stellen, konnte aber m. E. zu keinem richtigen Ergebniss
führen. Die Frage ist eine rein staatsrechtliche, sie ist vor allen
Dingen bei alle Privilegien, denjenigen der Souveräne und der
14) Die Anordnung in Art. 9 des Hessischen Gesetzes vom 3. September
1878 ist also insofern unwirksam.
15) Richtig GarEıs in der Zeitschrift für die gesamte Strafrechts-
wissenschaft Bd. VII (1887) S. 633ff.; gegen diesen WEISMAnN daselbst
Bd. IX (1889) 8. 379ff.; FuLn in Laband u. Störk, Archiv für öffentliches
Recht Bd. IV (1889) S. 341ff.; hier S. 372,