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und Weissenfeld von dem ersten Erwerber des Lippe’schen Landes
abstammen, so erscheint ihr Successionsrecht im Allgemeinen, da
sie ferner von dem ältesten Sohne Simon’s VL, dem Grafen
Simon VII, abstammen, das fürstliche Haus Schaumburg-Lippe
dagegen von dem jüngsten Sohne Simon’s VI., dem Grafen
Philipp Il., so erscheint ihr näheres, dem fürstlichen Hause Schaum-
burg-Lippe vorgehendes Successionsrecht nach den Grundsätzen
der Primogeniturordnung an und für sich gerechtfertigt. Alle
diese Sätze sind völlig unbestritten. Zweifelhaft ist nur, ob nicht
die erbherrlichen Linien durch Eingehung unebenbürtiger und
desshalb hausgesetzlich nicht vollgiltiger Ehen ihr an sich bestehen-
des Successionsrecht verwirkt haben.
Der Kernpunkt der Streitfrage ist also der, welche Anfor-
derungen nach der Lippe’schen Hausverfassung hinsichtlich der
Ebenbürtigkeit der Ehen aufgestellt werden. Da die für das
Lippe’sche Gesammthaus massgebenden Hausgesetze hierüber keine
Bestimmung enthalten, so ist auf das gemeine deutsche Privat-
fürstenrecht zurückzugehen und nach einzelnen Präcedensfällen
der Lippe’schen Familiengeschichte zu untersuchen, inwiefern die
Hausobservanz sich mit dem gemeinen Privatfürstenrechte deckt
oder von demselben abweicht.
Kaum eine Frage des deutschen Privatfürstenrechts ist nun
wohl so zweifelhaft als die, welche Ehen des hohen Adels in Er-
mangelung besonderer Bestimmungen der Hausgesetze als uneben-
bürtig zu betrachten sind. Diese schon im vorigen Jahrhundert
viel behandelte Controverse setzt sich bis in die neueste Zeit in
der Literatur des deutschen Staatsrechts und des deutschen Privat-
rechts fort. Nach der einen Ansicht‘) sind Missheirathen alle
diejenigen Ehen des hohen Adels, die nicht innerhalb dieses
#) Pürter, Missheirathen teutscher Fürsten und Grafen S. 350; EıIcHHoRN,
Deutsches Privatrecht $ 292; Kohuter, Deutsches Privatfürstenrecht $ 40;
GöHRUM, Geschichtliche Darstellung der Lehre von der Ebenbürtigkeit, Bd. 2
$ 77; BESELER, Deutsches Privatrecht $ 176; Zacnarr, Staatsrecht $ 68.