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1727 von Kaiser Karl VI. die Erhebung in den Reichsfürsten-
stand erlangt war. Dem gegenüber versprach Kaiser Karl VII.
in der Wahlcapitulation, er werde nicht „denen aus unstreitig
notorischer Missheirath eines Standes des Reiches oder aus solchem
Hause entsprossenen Herren zur Verkleinerung des Hauses die
väterlichen Titel, Ehren und Würden beilegen, viel weniger die-
selben zum Nachtheile der wahren Erbfolger und ohne derselben
besondere Einwilligung für ebenbürtig und successionsfähig er-
klären, auch wo dergleichen vorhin bereits geschehen, solches für
null und nichtig ansehen und achten“. Die Streitfrage der Eben-
bürtigkeit war damit keineswegs entschieden, da man sich nicht
darüber hatte vereinigen können, was unstreitig notorische Miss-
heirath sei und die Erklärung einem künftigen, niemals zu Stande
gekommenen Reichsschlusse vorbehalten hatte®).
Fragt man sich, ob hiernach ein gemeinrechtlicher Begriff
der Missheirath überhaupt aufgestellt werden kann, so ist diese
Frage nur in bedingter Weise zu bejahen. Unrichtig ist es zu-
nächst, dass nur die Ehe eines Mitgliedes des hohen Adels mit
einer unfreien Person als Missheirath zu betrachten sei. Diese
dem 18. Jahrhundert noch vollständig fremde Theorie ist augen-
scheinlich entstanden unter dem Einflusse der wieder erwachten
germanistischen Studien, so dass sie einigermassen Bedenken erregt
über den Werth historischen Wissens. Die Argumentation geht
dahin, dass das ältere deutsche Recht nur eine einzige Art der
Missheirath, die eines Freien mit einer Unfreien, kennt, und dass
keine allgemeine Rechtsquelle dieses ältere Recht abgeändert hat.
Allein aus der gesammten staatsrechtlichen Literatur des 18. Jahr-
hunderts und den dort angeführten zahllosen Rechtsfällen ergiebt
sich mit völliger Klarheit, dass sich seit dem Ende des Mittel-
alters durch ein allgemeines Gewohnheitsrecht ein strengerer
8) Ueber die Entstehungsgeschichte der Wahlcapitulation vgl. ZöpFL, Miss-
heirathen $$ 44 ff., über ihren Inhalt die angeführten Schriften über Miss-
heirathen und J. J. Moser, Wahlcapitulation Karl’s VII. mit Anmerk.