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stehenden Hausobservanz später abgegangen sei und den ge-
sammten niederen Adel als ebenbürtig angesehen habe!”), er-
scheint verfehlt. Denn jene Ehe war im Jahre 1722 eingegangen
und noch 1749 hielten die erbherrlichen Linien in einer ausdrück-
lichen Erklärung an der strengeren Praxis fest. Es kann sich also
nicht bereits 1722 eine der älteren derogierende neuere Haus-
observanz ausgebildet haben. Ebensowenig kann eine Sanirung des
ursprünglich vorhandenen Mangels durch den Uonsens der Agnaten
angenommen werden. Allerdings haben diese nicht sämmtlich
protestirt. Es mag nun dahingestellt bleiben, ob in der Unter-
lassung eines Protestes ein stillschweigender Consens zu sehen
ist. Jedenfalls liegt in der Ertheilung des agnatischen Uonsenses
nicht nur die Abänderung der Hausverfassung für den indivi-
duellen Fall, sondern auch ein eventueller Erbverzicht der Ag-
naten zu Gunsten der an sich nicht ebenbürtigen Linie. Um eine
unebenbürtige Ehe vollwirksam zu machen, ist daher nicht nur
der Consens der Agnaten, sondern auch derjenige der nächst
denselben Nachfolgeberechtigten, wie der Erbverbrüderten, des
Leehnsherrn etc. erforderlich, da die Agnaten durch ihren eigenen
Erbverzicht das Successions- oder Heimfallsrecht eines Dritten
nicht aufheben können. Im vorliegenden Falle wäre also, um
eine an sich unebenbürtige Ehe vollwirksam zu machen, nicht nur
der Consens der Agnaten, sondern auch des Landgrafen von
Hessen-Kassel erforderlich gewesen. Letzterer hat aber ebenso
wie der Graf von Schaumburg gegen die Vollgiltigkeit der Ehe
in der entschiedensten Weise protestirt. Die Vollgiltigkeit dieser
Ehe kann daher weder auf einer neu entstandenen Hausobservanz
noch auf einem agnatischen Consense beruhen, sondern allein auf
der vom Kaiser vor Erlass des Reichshofrathsurtheils ausge-
sprochenen Rangerhöhung.
In den Lippe’schen Hausgesetzen und in der Hausobservanz
findet sich nirgends die geringste Andeutung, dass zur Eben-
ı7) H. ScauzE, Aus der Praxis des Staats- und Privatrechts $. 236.