— 939 —
Die Reichspublicistik verhält sich in Bezug auf die Frage,
ob ausserhalb der Fälle notorischer Missheirath kaiserliche
Standeserhöhungen die Ebenbürtigkeit einer an sich unebenbür-
tigen Ehe bewirken können, ziemlich skeptisch!), Der Grund
liegt, wie J. J. Moser mit einer gewissen Naivetät zugiebt, in
dem Mangel geeigneter Präcedensfälle, aus denen man ein allge-
meines Gewohnheitsrecht entnehmen könnte. In Ermangelung
eines solchen müsse aber die Analogie der übrigen Reichsver-
fassung dagegen sprechen, dass dem Kaiser ein so weit gehendes
Recht zusteht. Diese Auffassung widerspricht aber der ganzen
geschichtlichen Entwicklung des alten Reiches. Die frühere
kaiserliche Machtfülle war durch die Reichsgesetzgebung mehr
und mehr beschränkt worden, so dass man die kaiserlichen Re-
gierungsbefugnisse schliesslich als Ausnahmerechte ansehen und
ihnen die Bezeichnung von Reservatrechten beilegen konnte.
Immerhin sind aber dem Kaiser die einzelnen Regierungsbefug-
nisse durch besondere Gesetze, besonders die Wahlcapitulationen
allmählich geschmälert worden, und es blieben ihm alle nicht
ausdrücklich entzogenen Rechte. Politisch mochte die kaiser-
liche Macht noch so nichtig erscheinen, staatsrechtlich sprach
stets die Präsumtion für das Recht des Kaisers. Wollte man
also dem Kaiser ein Regierungsrecht absprechen, so musste man
sich dabei auf eine ausdrückliche Rechtsnorm stützen. Nun ist
aber den kaiserlichen Standeserhöhungen durch die Wahlcapi-
tulation Karl’s VII. die volle Wirkung in Bezug auf die Eben-
bürtigkeit der Ehen nur bei unstreitig notorischer Missheirath
abgesprochen. Daraus ergiebt sich, dass diese volle Wirkung in
allen übrigen Fällen vorhanden ist. Der Kaiser konnte daher im
vorliegenden Falle die an sich unebenbürtige Ehe durch nach-
trägliche Standeserhöhung der Frau zu einer vollgiltigen machen.
Wenn auch der Reichshofrath über die Ebenbürtigkeitsfrage nur
—
18) J,. J. Moskr, a. a. O. S. 156 ff., Pürrer, Missheirathen 8. 461 ff.