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Bedeutung für alle verwaltungsrechtlichen Straffälle beigelegt wer-
den. Es ist dabei auszugehen von dem Wesen der verwaltungs-
rechtlichen Strafe als eines Zwangsmittels. Der Beschuldigte
braucht demnach das Bewusstsein der Strafbarkeit seiner Hand-
lung oder Unterlassung nicht gehabt zu haben. Doch ist zur
Feststellung des Thatbestandes der Nachweis unumgänglich noth-
wendig, dass er die zu erzwingende Handlung ausführen konnte,
dass er die zu unterlassende Handlung nicht zu begehen brauchte,
da anderenfalls das Zwangsmittel gegenstandslos sein würde. Die
auf diesem Standpunkte stehende Judicatur des Kammergerichtes
wird dem Wesen der verwaltungsrechtlichen Strafe und ihrer
Verschiedenheit von der criminellen Strafe durchaus gerecht und
ist daher nur zu billigen.
II. Eine der wichtigsten und ın das alltägliche Leben ein-
greifenden Streitfragen des preussischen Verwaltungsrechtes ist
die nach der rechtlichen Grundlage des Polizeiverordnungsrechtes.
Die allgemeinen Schranken der Polizei überhaupt und damit
der Berechtigung jeglicher polizeilicher Acte sind bestimmt durch
810 I, 17 A. L.-R., wonach die Erhaltung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung und die Abwendung der dem Publikum
oder einzelnen Personen drohenden Gefahren Aufgabe der Polizei
ist. Darin stimmt die in zahlreichen Entscheidungen des Kam-
mergerichtes wie des Oberverwaltungsgerichtes zum Ausdruck
gelangte Praxis überein, dass es über die Grenzen des 8 10 II,
17 A. L.-R. hinaus weder ein Polizeiverfügungs- noch ein Polizei-
verordnungsrecht, also überhaupt keine Berechtigung der polizei-
lichen Thätigkeit giebt.
Nur eine Entscheidung des Kammergerichtes steht mit dieser
zweifellos richtigen und sonst streng festgehaltenen Rechtsauffas-
sung in eigenthümlichem Widerspruche. Dieselbe?) erklärt eine
vom Oberpräsidenten der Provinz Pommern erlassene Polizeiverord-
nung, die eine Körordnung enthielt, für giltig als Verordnung
über Gegenstände der landwirthschaftlichen Polizei, da sie Inter-
essen der Landwirthschaft zu wahren bestimmt sei. Mit genau
?) Mitgetheilt bei Dammann, Art. Beschälwesen in v. Stengel's Wörter-
buch Ba. 1, S. 173.