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der Verordnung. Dass der allgemeine Grundsatz, welcher die
Prüfung der Nothwendigkeit und Zweckmässigkeit ausschliesst,
durch die Specialbestimmung des $ 6i durchbrochen, und hier
das Zweckmoment als integrirender Bestandtheil in die Rechts-
norm aufgenommen sei, kann um desswillen nicht angenommen
werden, weil Ziffer i nur ein bei a—h stillschweigend zu subintelli-
girendes Erforderniss wiederholt.
Die entgegengesetzte, vom Kammergericht vertretene Ansicht
führt dahin, dass der Richter, welcher in der Regel mit den
polizeilichen Bedürfnissen eines Bezirkes weniger bekannt ist als
die Polizeibehörde, als ein derselben übergeordnetes Organ die
Zwweckmässigkeit einer Polizeiverordnung prüfen muss. Dafür, dass
das besondere Interesse des Bezirkes den Erlass der Verordnung
erfordert habe, liegt dem Strafrichter naturgemäss nur sehr selten
Material vor, die Polizeibehörde, über deren Anordnungen ent-
schieden wird, ist im Processe nicht vertreten und kann kein
rechtliches Gehör finden. Der Strafrichter wird daher in der
Regel die Nothwendigkeit einer auf Grund des $ 6i des Polizei-
verwaltungsgesetzes erlassenen Verordnung für nicht hinreichend
erwiesen annehmen und damit vom Standpunkte des Kammer-
gerichtes auch deren Gesetzmässigkeit verneinen. Die in $ 6i
enthaltene allgemeine Olausel verliert also jeden Werth. Nur in
höchst seltenen Fällen dürfte das Bedürfniss nach einer Polizei-
verordnung so allgemein und so notorisch sein, dass es auch dem
Richter ohne Weiteres einleuchtet. Doch auch hier kann nach
der Judicatur des Kammergerichtes der Polizei und dem Publi-
kum nicht geholfen werden. Bei der Gleichartigkeit der wirth-
schaftlichen und socialen Verhältnisse wird ein solches besonders
dringendes Bedürfniss nach polizeilicher Regelung eines Gegen-
standes sich nicht nur in einem Bezirke, sondern so allgemein
geltend machen, dass auch der oberste Gerichtshof ohne weiteren
Nachweis davon überzeugt sein muss. Allein in diesem Falle
folgt das Kammergericht wieder der engsten Wortinterpretation,
indem es annimmt, dass ein solches allgemeines Bedürfniss den
Erlass der Polizeiverordnung nicht rechtfertigen könne, diese viel-
mehr ein ganz besonderes Bedürfniss des betreffenden Bezirkes