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soll, während der letztere thatsächlich, im Falle die Ausweisung, wie es in
ihrem Wesen liegt, über eine den Verfolgten sichernde Grenze bewirkt wird
die Rolle des Begünstigers spielt. Und hiermit wendet sich v. M. im
zweiten Kapitel ($$ 5—11) zur Untersuchung des anderen Weges,
auf welchem dem völkerrechtlichen Postulat, dass die Herstellung des ge-
brochenen Rechts als gemeinsames Anliegen aller Nationen behandelt werde,
genügt werden kann. Am einfachsten geschähe dies dadurch, dass der Ver-
folgte am Betretungsorte zur Rechenschaft gezogen würde, und in der That
bestehen einzelne Staatsverträge, welche ein solches Verfahren zum Gegen-
stand einer vertragsmässigen Pflicht machen. Es handelt sich dabei aber im
Wesentlichen nur um Schmuggel und Zollkontraventionen, Münzverbrechen
und agrarische Delikte und bezüglich der Verbrecher fast ausschliesslich um
Inländer, welche nach im Auslande verübter That in die Heimath zurück-
kehren, nicht um Ausländer, die sich im Auslande strafbar gemacht haben
und dann im Inlande betreten werden. Die Staaten nehmen aber auch heut-
zutage keinen Anstand, von sich aus und einseitig, ihre Strafbefugniss in
einem im Einzelnen allerdings sehr verschiedenen Umfange auch auf solche
Personen auszudehnen, welche im Auslande strafbare Handlungen begangen
haben. Massgebend hiefür ist das staatliche Interesse; dasselbe hat sich von
dem in der Theorie früher herrschenden Territorialprinzip losgemacht.
Abgesehen von der Sicherung des maritimen Verkehrs gegen Piraterie u. s. w.
ist es eine bereits mit der Existenz des völkerrechtlichen Verbandes gegebene
Anforderung — welcher $4 des R.-St.-G.-B.’s allerdings nicht gerecht wird —,
dass staatlose Gebiete nicht zum Tummelplatz für Verbrechen werden dürfen,
und die Exterritorialen in ihrem Heimathsstaate zur Verantwortung gezogen
werden. Die im Auslande verübten Angriffe gegen die politische Ordnung,
die Währung und den Kredit des Inlandes werden von letzterem allenthalben
strafrechtlich zurückgewiesen. Auch für Privatdelikte der Inländer im
Auslande findet überall die Personalitätsmaxime in gewissem Umfange
Anwendung, wenn auch mit erheblichen Abweichungen im Einzelnen, indem
hier nur bei einzelnen Verbrechen schwerster Art, dort bei allen Verbrechen
oder Vergehen, zum Theil aber nur bei solchen, die gegen Landsleute ver-
übt sind, hier nur bei Handlungen, welche auch näch ausländischem Gesetze
strafbar sind, dort nur nach Massgabe von Staatsverträgen oder auf Antrag
oder Denunciation hin Strafverfolgung eintritt. Viel tiefgreifender ist die
bestehende Verschiedenheit hinsichtlich der Ausländer. Auch hier ist keine
Macht vorhanden, welche nicht, mindestens in Ausnahmefällen, ihre Straf-
gewalt eintreten liesse. Es steht aber das engere „Schutzprinzip“ dem
weiteren Prinzip der „Weltrechtsordnung“ gegenüber. Vermöge des
ersteren Prinzips, welches von der französischen Theorie aus einzelne italie-
nische, deutsche und schweizerische Gesetzgebungen beeinflusst hat, werden die
exterritorialen Vergehen selbst der Inländer, also umsomehr der Ausländer,
nur gestraft, wenn dadurch strafrechtlich geschützte Interessen von Inländern