Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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Weise zu üben, scheint von einem gewissen Doktrinarismus ebensowenig frei 
als die Ansicht, dass nur der Richter des Thatortes als der natürliche 
Richter anzusehen sei. Gewiss folgt aus dem modernen Begriff der Staats- 
angehörigkeit, dass der Staat der Aufgabe Gerechtigkeit an seinen Bürgern 
zu üben, ohne den zwingendsten Grund sich nicht entschlagen soll. Diese 
Voraussetzung wird aber vorliegen, wenn die Untersuchung eines schweren 
exterritorialen Verbrechens im Inlande auf’s Aeusserste erschwert ist, während 
die Ermittlung der Wahrheit durch das Gericht des Thatortes mit ungleich 
grösserer Aussicht auf Erfolg bewirkt werden kann und, nach Lage der 
Sache, in unparteiischer Weise bewirkt werden wird. In solchen nicht ganz 
seltenen Fällen wird der Heimathsstaat seiner Aufgabe, Gerechtigkeit zu 
üben, eben nur durch die Auslieferung gerecht, und wie sollte derjenige, der 
durch seine Handlung im Auslande den dringenden Verdacht eines schweren 
Verbrechens auf sich geladen hat, sich darüber beschweren können, wenn er 
daselbst Recht nehmen muss? Allerdings aber muss die Auslieferung nur eine 
ganz ausnahmsweise Mlassregel bleiben. Niemals darf eine Verpflichtung 
dazu durch Vertrag übernommen werden, nur die Berechtigung dazu ist 
durch das Landesrecht festzustellen. Die Auslieferung wäre im einzelnen 
Falle nur auf Grund eines Gutachtens des inländischen Gerichtes zu bewilligen, 
welches sich darüber auszusprechen hätte, ob eine für die Auslieferung ge- 
nügende Belastung des Verfolgten vorliegt, und ob sachliche Gründe der an- 
gedeuteten Art für die Untersuchung durch das Gericht des Thatortes ge- 
geben sind. Daneben würde aufs Sorgfältieste, unter Anhörung des Be- 
schuldigten, von der obersten Staatsgewalt zu prüfen sein, ob ewa Gründe 
vorhanden sind, welche eine parteiische Behandlung der Sache im Auslande 
befürchten lassen. 
In den letzten beiden Paragraphen des Kapitels bespricht der Ver- 
fasser den Fall, dass der Verfolgte weder dem ersuchenden noch dem er- 
suchten Staate angehört, und die Rechtsstellung des Hecimathsstaates zu dem 
Auslieferungs-Begehren, wobei er namentlich den Fortschritt hervorhebt, der 
darin begründet ist, dass die in den meisten neueren Verträgen vorgesehene 
vorläufige Anzeige der cersuchten Regierung an diejenige des Heimaths- 
staates in der neuesten Zeit zu einem Auslieferungs-Angebot geworden ist, 
so dass also der Einspruch der Heimaths-Regierung gegen die Auslieferung, 
sofern sie nicht Rechtsgründe anführt, nur gehört wird, wenn sie sich selber 
bereit erklärt, den Verfolgten zum Zwecke der strafrechtlichen Verfolgung 
zu übernehmen. Vorausgesetzt ist also — was für die Staaten englischer 
Zunge nicht zutrifft —, dass der Heimathsstaat dem Personalprinzip huldigt. 
Das vierte Kapitel ($$ 21--23) beginnt mit einer eingehenden Er- 
örterung des auf BEnTHam zurückführenden Sprachgebrauchs „internationales 
Recht“. Während BENTHAMm damit denjenigen Theil des „Völkerrechts“ aus- 
sondern will, der die gegenseitigen Beziehungen zwischen ganzen Nationen 
betrifft, und die an ihn anschliessende nordamerikanische Theorie beide Aus-
	        
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