Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

— 436 — 
öffentliche Recht ? Wo bleibt die Grenzlinie, wenn der Staat das Öffentliche 
Recht regelt, aber doch auch das Privatrecht regeln kann ? 
Nein, nicht die Grundlage von privatem und öffentlichem Rechte ist 
eine verschiedene — beide gehen hervor aus dem im Staate zum Bewusstsein 
und zur Personifikation gelangenden Volksgeiste —, sondern das immanente 
Prinzip des Privatrechts ist ein anderes als dasjenige des öffentlichen Rechts. 
Das Privatrecht grenzt die Rechtssphäre verschiedener Privatpersonen derart 
gegen einander ab, dass, sobald die Privatrechtsnormen Personen betreffen, 
daraus für dieselben einander korrespondirende subjektive Rechte und Pflichten 
entstehen. Dabei darf man allerdings das subjektive Recht nicht bloss mit 
dem Verfasser a. a. O. S. 67 als Antheil des einzelnen an den Lebensgütern 
auffassen, welche ihm das Recht in Achtung seiner Persönlichkeit gewähr- 
leistet, sondern als Rechtsanspruch gegenüber anderen Rechtspersönlichkeiten, 
denen ihrerseits die dem subjektiven Rechte korrespondirenden subjektiven 
Pflichten obliegen. Das öffentliche Recht ist dagegen durchdrungen von dem 
Prinzipe des staatlichen Herrschaftsrechts, es grenzt die Willensmacht des 
Staates gegenüber der Gehorsamspflicht der Unterthanen ab. Wenn auch 
aus ihm gelegentlich sekundär subjektive Rechte und Pflichten Einzelner 
gegen einander erwachsen können (Wegelasten, Schullasten, Anspruch auf 
Busse etc.), so ist doch das Charakteristische die Normirung des staatlichen 
Herrschaftsrechts gegenüber anderen Rechtssubjekten. 
Die unzutreffende Abgrenzung des Verfassers zwischen privatem und 
öffentlichem Rechte macht sich nun in ihren Konsequenzen nach verschiedenen 
Richtungen geltend. Vor Allem ergiebt sich daraus die Möglichkeit eines 
Konflikts beider Rechte. Das Privatrecht, aufgefasst als Inbegriff der die 
Rechtssphäre der Privatpersonen gegen einander abgrenzenden Rechtsnormen, 
liegt auf einem ganz anderen Gebiete als das öffentliche Recht, welches es mit 
Staat und Unterthanen zu thun hat. Eine Kollision oder ein Konflikt beider 
Rechte ist also ihrer Natur nach ausgeschlossen, da überall dort, wo der Staat 
bei einem Rechtsverhältnisse betheiligt ist, dasselbe dem Öffentlichen Rechte 
angehört. Sieht man dagegen mit dem Verfasser in dem Privatrechte den In- 
begriff der an sich vom Staate unabhängigen, angeborenen Rechte des In- 
dividuums, so ist nicht abzusehen, wesshalb diese Individualrechte nicht auch 
dem Staate gegenüber zur Geltung gelangen sollten. Dass in diesem Falle 
das Individualrecht dem Staatswillen, dass das Privatrecht dem öffentlichen 
Rechte weichen muss, unterlässt der Verfasser juristisch zu rechtfertigen, und 
kann er auch von seinem Ausgangspunkte aus gar nicht juristisch begründen, 
da die Prinzipien beider Rechte an sich von gleicher Kraft sind, aber nach 
der vom Verfasser vorgenommenen Abgrenzung der Gebiete die Möglichkeit 
einer Kollision vorliegt. So wird denn S. 68 eine Erklärung der Thatsache, dass 
bei dem sogen. Konflikte das Privatrecht den Kürzeren zieht, vom reinen Utili- 
tätsstandpunkte versucht: „Die Vortheile, welche das Privateigenthum in seiner 
. Festigung und Sicherung durch die Staatsgewalt findet, werden gleich-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.