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die Verfassung, der Kaiser habe es, obwohl er nicht Monarch sei. S. 33—35.
Diese Sätze entsprechen nicht der herrschenden Meinung. Das Begnadigungs-
recht ist eins der staatsgewaltlichen Rechte und steht somit dem Träger
derselben zu, soweit es ihm nicht von der Verfassung genommen oder
beschränkt ist. Danach müsste es im Reiche der Bundesrath haben, der
Kaiser hat es auf Grund besonderen Gesetzes. — Die Begnadigung er-
scheine als Verwaltungsbefehl an die Behörden, als Verfügung. S. 47—51.
Wie verhält sich Eusas zu den Verfassungen, die gesetzliche Erscheinungs-
form vorschreiben, und zu den thatsächlich ergangenen Gesetzen? Zu kurz
gekommen ist hier die Frage nach der Delegation des Begnadigungsrechts
S. 35—37. Ueberhaupt bedürfen die Abschnitte über Trägerschaft und Er-
scheinungsform noch tieferer, besonders historischer Erwägung; fruchtbar
dürfte die letzte Zeit der absoluten Monarchien und die Entstehungs-
geschichte der deutschen Verfassungen sein.
Der Umfang des Reichsbegnadigungsrechts ist wenig bestritten. Es
erstreckt sich nach $ 484 St.-Pr.-O. soweit, wie die Competenz des Reichs-
gerichts, und zwar auf die Delikte der $$ 80—93 St.-G.-B., wenn sie gegen
Kaiser oder Reich gerichtet und Verbrechen sind, sowie auf Versuch, An-
stiftung, Beihülfe zu denselben. LozB a. a. O. S. 28 ff. fügt noch die Auf-
forderung zum Landesverrath aus $ 111 St.-G.-B und die Nicht-Anzeige $ 139,
Begünstigung $ 257, Annahme der Aufforderung 8 49a, bei Hoch- und
Landesverrath hinzu, weil auch diese Delikte die Integrität des Reiches
angriffen. ELsas unternimmt es, LoEB aus seinem eigenen Argumente zu
schlagen, die genannten Delikte ständen in gar keinem oder nur sehr mittel-
baren Zusammenhange mit dem zu schützenden Rechtsgute. S. 65—68. Dieser
Weg führt nicht zum Ziel und veranlasst zu so künstlichen Unterscheidungen,
wie S. 65 zwischen den Delikten des $ 85 und $ 111. Die von Lok an-
geführten Strafthaten fallen schon durch den übrigens nicht äusserlichen
Grund aus, dass das Gesetz sie nicht als Verbrechen, sondern als Vergehen
bezeichnet. Einwandsfrei erklärt und begrenzt wird das kaiserliche Be-
gnadigungsrecht in Elsass-Lothringen. S. 69—71; hierüber entscheidet nicht
deutsches Verfassungsrecht, wie Binpine meint, sondern französisches, welches
seiner Zeit dem Kaiser das Recht der Begnadigung im engeren Sinne und
das der Amnestie gewährte.
Den Einzelstaaten ist das Begnadigungsrecht im engeren Sinne durch
Gründung des Reiches nicht genommen. Letzteres hat sich, wie Eusas aus-
führt, in R.-V, Art. 4 Abs. 13 nur die Beaufsichtigung der Strafvollstreckung
beigelegt, die eigentliche Geschäftsführung den Einzelstaaten überlassen.
S. 76. Auch der Fortbestand des Abolitionsrechts wird von der herrschenden
Meinung behauptet. Die Gegengründe unterzieht Eısas eingehender Kritik.
S. 79--86. Am schwersten wiegt das Legalitätsprinzip der St.-Pr.-O. $ 152.
Dasselbe finde jedoch ein Gegengewicht in $$ 147, 148 G.-V.-G., wonach
die Beamten der Staatsanwaltschaft den dienstlichen Anweisungen ihrer Vor-