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untheilbare, und enthalte ein neues Urtheil gegenüber den vorangegangenen.
S. 120—130. Während sich Eusas zur Zeit seiner Schrift noch auf die
Autorität Löwk’'s berufen kann, hat dieser in der neuesten Auflage seines
Commentars zur St.-Pr.-O., S. 24 Anm. 12 a. E. seine Ansicht als durch
das Wesen der Gesammtstrafe nicht gerechtfertigt aufgegeben. Es greift
dieselbe, wie sie sich in $ 74 St.-G.-B. darstellt, m. E. nur die erste Strafe
an, sogar nur dann, wenn diese milder als die Zusatzstrafe ist, nicht aber
das erste Urtheil und daher auch nicht das einmal entstandene Begnadigungs-
recht. Dieses bleibt dem Staate, dessen Gericht gesprochen, soweit die von
diesem festgesetzte Strafe nicht von der Gesammtstrafe alterirt wird. Das
bedarf näherer Ausführung. — Im Falle der Collision mehrerer Abolitions-
gewalten herrscht insoweit ziemliche Uebereinstimmung, als man mit dem
Augenblicke, wo die Sache in einem Staate rechtshängig geworden, nur diesem
das Abolitionsrecht gewährt; bis zu diesem Augenblicke soll es jeder ver-
folgungsberechtigte Staat ausüben können. Aber — und darüber sind die
Schriftsteller, abgesehen von manchen Nüancen, in zwei Lager getheilt —
mit welcher Wirkung? Mit Wirkung für sämmtliche Staaten, oder nur für
den abolirenden selbst? Liszt in seinem Lehrbuche des Strafrechts S. 280,
LoEB, SEUFFERT nehmen das erstere, Binpinsg und Löwe das letztere an.
Eusas geht mit diesen und führt die Ansicht von der Spezialwirkung der
Abolition konsequent durch ; in den Fällen des Zusammenhanges konsequenter
als Löwe. S. 130—136. Eine tiefere Begründung giebt er nicht. Dieselbe
erfordert m. E. die Lösung zweier Fragen: sind die Zuständigkeitsbestim-
mungen der St.-Pr.-O. bestimmend für das Strafverfolgungsrecht der Staaten?
erzeugt ein Delikt, das in mehreren deutschen Staaten verfolgt werden kann,
auch mehrere selbständige Strafverfolgungsrechte? Das führt auf das Wesen
der deutschen Strafrechtspflege, und hier dürfte der staatsrechtlich-historische
Weg einzuschlagen sein. Dr. Hancke.
Ch. Salomon, L’occupation des territoires sans maitre. Etude
de droit international. Paris, Giard, 1889. 395 p.
Der Verf. hat in der vorliegenden Studie zum grossen Theile das aus-
geführt, was Ref. im zweiten Theile seines im 3. Band dieser Zeitschrift
(S. 205 ff.) besprochenen Werkes zu geben versprochen hat: eine Darstellung
der Lehre von der völkerrechtlichen Okkupation herrenlosen Landes mit
besonderer Rücksicht auf die neuere koloniale Entwickelung und die aus
derselben hervorgegangene Berliner Konferenz von 1884 85. Ref. hat bei
seiner eigenen Arbeit die Ueberzeugung gewonnen, dass es für eine wirkliche
öffentlichrechtliche Darstellung des Okkupationsrechts in der bisherigen Theorie
an einer genügenden Grundlage fehle, und hat daher im ersten Theile seiner
Schrift zunächst durch eine kritische Feststellung der Grundbegriffe eine
solche zu gewinnen versucht. War so erst ein sicherer Boden geschaffen,