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sächlich mit der Berliner Konferenz, deren Resultate für das Okkupations-
recht er mit Recht als unvollständig und ungenügend bezeichnet, und mit
den Arbeiten des Institut de droit international in seiner Lausanner
Sitzung d. J. 1888.
Der zweite Theil handelt vom Subjekt der Okkupation, als
welches auch für den Verf. vom Standpunkt des Völkerrechts nur der Staat
in Betracht kommen kann. In drei Kapiteln wird dies des Näheren ausgeführt.
Im ersten wird erörtert, wie der okkupatorische Gebietserwerb für den
Staat entweder durch einen Mandatar oder auf dem Wege der negotiorum
gestio vermittelt wird. Die dabei vom Verf. aufgeführte Kategorie des
mandatum tacitum erscheint nicht gerechtfertigt. Jedenfalls kann ein solches
in dem (p. 112, N. 2) angeführten Beispiel nicht erblickt werden; es han-
delt sich bei der vom Verf. behaupteten Betheiligung der preussischen
Kronfideikommiskasse an der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft lediglich
um ein rein privates Geschäft ohne jede öffentlichrechtliche Bedeutung.
Dagegen scheint uns die Konstruktion des staatlichen Gebietserwerbs durch
die nachträglich (in der Verleihung eines Schutzbriefs) anerkannte Thätig-
keit von Privaten nach den Grundsätzen der negotiorum gestio durchaus
zutreffend.
Im zweiten Kap. wird untersucht, ob alle oder nur gewisse Arten
von Staaten okkupiren können, mit besonderer Rücksicht auf halbsouveräne
und Schutzstaaten. Am wichtigsten und interessantesten aber sind die Aus-
führungen des dritten Kap., welche die Frage nach der rechtlichen Mög-
lichkeit und Natur eines Gebietserwerbs durch private Personen oder Ge-
sellschaften in eingehender Weise behandeln. Der Verf. hat sich hier ein-
gestandenermassen vollständig auf den Boden der vom Ref. vertretenen
Auffassung gestellt, dieselbe aber nach allen Seiten hin näher ausgeführt
und begründet. Das Schlussresultat dieser sehr gediegenen, die ausseror-
dentlich schwierige Materie mit grosser Gründlichkeit, Vollständigkeit und
Klarheit behandelnden Untersuchungen stimmt mit dem vom Ref. gefundenen
wesentlich überein. „Wenn eine private Person oder Gesellschaft sich in
einem unbewohnten Liande (es ist dies der einfachste Fall) ohne staatlichen
Auftrag und ohne in der Eigenschaft eines negotiorum gestor zu handeln,
niederlässt, so erwirbt sie durch die Okkupation nur private Eigenthums-
rechte. Kein Rechtsgrundsatz steht jedoch im Wege, dass sie nicht mit
der Zeit auch Hoheitsrechte erwerbe. Je nach den Umständen wird
sich entweder ein neuer Staat bilden, oder die Kolonie wird, che es ihr ge-
lungen ist, sich in einen Staat umzuwandeln, unter die koloniale Gebiets-
hoheit eines schon bestehenden Staates fallen, um entweder wie Borneo eine
Schutzbriefkolonie, oder wie Assab eine Kronkolonie zu werden.“ (p. 188.)
Am interessantesten erscheint Ref. der dritte Theil, in dem der
Verf. in durchaus selbständiger und gründlicher Weise das mögliche
Objekt der Okkupation zu bestimmen sucht. Es handelt sich dabei