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untersteht; denn dies letztere ist gerade durch die Berliner Konferenz an-
erkannt worden und wird von allen Staaten nicht nur selbst geübt, sondern
auch bei andern respektirt.
Es wird dann des Weiteren der Bedeutung der Monroedoktrin für
die Lehre von der Okkupation gedacht und zum Schlusse die höchst inter-
essante Rechtsstellung der von einem Privaten oder einer Kolonialgesellschaft
erworbenen Gebiete, so lange für dieselben kein Schutzbrief erlangt ist,
untersucht. Dieselben bleiben, da Privatpersonen keine Souveränetätsrechte
im eigenen Namen erwerben oder ausüben können, vom völkerrechtlichen
Standpunkt aus herrenlos und können von jedem Staat okkupirt werden.
(p. 256 ff.; vgl. auch p. 266, N. 1). Diese Ansicht des Verf. scheint nicht
nur nach den Grundsätzen juristischer Logik unanfechtbar; sie hat auch
durch die Thatsachen eine für uns Deutsche höchst bedauerliche Bestätigung
erfahren, als ein grosser Theil der von der Deutsch-Ostafrikanischen Gesell-
schaft vertragsmässig erworbenen, aber noch nicht unter kaiserlichen Schutz
gestellten Somaliküste von Italien in Besitz genommen wurde.
Im vierten und letzten Theil seiner Schrift handelt der Verf. von
den Voraussetzungen und Wirkungen der Okkupation. Es wird
hier zunächst (Kap. 1) das Anwendungsgebiet der auf Okkupation und Pro-
tektorat bezüglichen Bestimmungen der Kongoakte näher definirt; dann (Kap. 2)
von dem Akt der Besitzergreifung selbst gehandelt. Diese vollzieht sich heut-
zutage durch Flaggerhissung; jedoch muss sich der okkupirende Staat, nach-
dem er dieser ersten völkerrechtlichen Bedingung genügt, beeilen, auch die
anderen zu erfüllen; er muss die vollzogene Besitznahme den anderen Mächten
notifiziren und dieselbe zu einer effektiven ausgestalten. Von diesen beiden
durch die Berliner Konferenz aufgestellten weiteren Bedingungen jeder
Okkupation handeln die folgenden Kap. 3 und 4. Im letzteren wird auch
die sehr bestrittene Frage nach der räumlichen Erstreckung einer regelrecht
vollzogenen Okkupation näher erörtert (p. 319 ff). Der Verf. verwirft
hier alle Theorien, welche aus der Thatsache des wirklichen Besitzes eines
bestimmten Punktes ein Recht auch auf andere Punkte als die thatsächlich
besetzten ableiten wollen.
Zum Schlusse werden (Kap. 5) die Wirkungen der rechtmässig voll-
zogenen Okkupation auf das Land und seine Bewohner betrachtet. Das
Land fällt unter die Gebietshoheit des Okkupanten, wodurch aber an den
bestehenden Eigenthumsverhältnissen an Grund und Boden nichts geändert
wird. Den Bewohnern gegenüber hat der Okkupant ausser den ihm an sich
obliegenden sittlichen Pflichten des modernen Staates auch noch die ihm
durch die Kongoakte auferlegten besonderen Rechtspflichten zu erfüllen.
Die Ausführungen des Verf. zeichnen sich überall durch gedie-
genen juristischen Scharfsinn und gesundes politisches Urtheil aus und
berühren besonders wohlthuend durch die Klarheit und Eleganz der Dar-
stellung. Heimbureger.