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Rechtes erkannte, suchte den Weg zur begrifflichen Erkenntniss
der in der Wirklichkeit vorliegenden Verhältnisse ausschliesslich
in der Interpretation der Quellen. Da nun im vorliegenden Falle
die Quellen stets nur von der Uebernahme der Verwaltung Bos-
niens und der Herzegowina sprechen, der Constituirung eines
unzweideutigen Definitivums sorgsam aus dem Wege gehen und
zum grossen Theile eigentlich bloss völkerrechtlicher Natur sind,
so kam die Wissenschaft zu dem Schlusse, den Bestand eines
staatsrechtlichen Verhältnisses Bosniens und der Herzegowina zur
österreichisch-ungarischen Monarchie in Abrede zu stellen und
entweder die Verwaltung dieser beiden Provinzen seitens Oester-
reich-Ungarns als eine provisorische, einer wissenschaftlichen Be-
griffsbestimmung unfähige, eine blosse Uebergangsstufe bildende
Singularität zu erklären, oder für dieses Verhältniss eine neue
Kategorie der völkerrechtlichen Staaten - Verbindungen aufzu-
stellen ®).
Die erstere Erklärung ist offenbar unzureichend. Ein Pro-
visorium, das 12 Jahre dauert und aller menschlichen Voraus-
sicht nach noch eine runde Anzahl von Jahren dauern wird, ist
doch offenbar keine vorübergehende Erscheinung, über deren
Singularität man sich hinweg setzen könnte. Passt die bisherige
Staatslehre nicht auf dieses Verhältniss, so ist das nur ein schla-
gender Beleg, dass sie nicht erschöpfend ist. Bekanntlich hat
man ja auch dem bundesstaatlichen Problem dadurch ausweichen
wollen, dass man die Institution desselben als einen vorüber-
gehenden Zustand erklärte. Dem gegenüber hat bereits LABAND
mit Recht eingewendet, dass ein staatsrechtlicher Zustand nicht
darnach beurtheilt werden darf, wozu er sich im Laufe der Zeit
P) Vgl. ULprioH „österr. Staatsrecht“ S. 792 ff. JELLINEK, „die Lehre
von den Staatenverbindungen“ S. 114ffl. DANnTscHhER („der monarchische
Bundesstaat Oesterreich-Ungarn“) berührt die Frage nicht, wie das Verhält-
niss Bosniens und der Herzegowina zu der österr.-ungarischen Monarchie
juristisch zu erklären ist.