Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

— 488 — 
des Kaisers von Oesterreich anvertraute“, so geschah es eben 
deshalb, weil seine Macht nicht mehr die herrschende, nicht mehr 
die zwingende, nicht mehr die suprema potestas in diesen Län- 
dern war. Die Macht des Kaisers von Oesterreich ist aber der- 
malen die suprema potestas in Bosnien und der Herzegowina, 
der Kaiser von Oesterreich besitzt also daselbst die Souveränität. 
Dieser Thatbestand, dass die die Rechtsordnung normirende 
Macht die Fähigkeit des allgemein verbindlichen Befehlens, die 
unwiderstehliche Macht besitzt, kann von der Rechtsordnung nicht 
constituirt und nicht umgestossen werden. Die Rechtsordnung 
kann diesen Thatbestand Souveränität oder anders benennen, er 
bleibt ein und derselbe. Sie kann nicht verfügen, dass eine 
souveräne Macht da sei, wo keine ist; sie kann aber auch um- 
gekehrt durch eine reservatio mentalis oder eine unscheinbare 
Namengebung nicht hindern, dass überall dort, wo ein Herr- 
schaftsverhältniss besteht, der Inhaber cer Herrschaft die Sou- 
veränität inne hat. Selbst wenn also Oesterreich-Ungarn die 
Absicht gehabt hätte, die Souveränität des Sultans über diese Pro- 
vinzen und nicht blos Rechte auf dieselben, und zwar ausdrücklich 
anzuerkennen, was sich aus dem Wortlaute der Convention noch 
lange nicht ergibt, wenn es diese Absicht expressis verbis aus- 
gesprochen hätte: der heute in den occupirten Provinzen vor- 
handene Thatbestand ist doch unter allen Umständen der, dass 
der Sultan vielleicht Souveränitätsrechte auf diese ?rovinzen, der 
Kaiser von Oesterreich aber die Souveränität über diese Provinzen 
besitzt. Ist dies aber der Fall, dann kann immerhin die Con- 
vention bestimmen, diese Souveränität sei keine Souveränität. 
Sie kann an dem vorhandenen Thatbestand so wenig ändern, als 
umgekehrt das zum nudum jus gewordene Souveränitätsrecht des 
entthronten Herrschers im Stande ist, ihm die Macht des un- 
widerstehlichen Befehlens zu gewähren. Fragen wir also, wer die 
Souveränität über Bosnien und die Herzegowina hat, so kann 
uns kein Gesetz und kein Vertrag allein darüber Aufschluss geben,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.