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beizuführen, beeinträchtigt den definitiven Charakter des dermaligen
Zustandes nicht im geringsten. Denn eine solche Möglichkeit
würde auch dann bestehen, wenn die Türkei die beiden Provinzen
„für ewige Zeiten“ in allen Formen Rechtens an Oesterreich-
Ungarn abgetreten hätte. Provisorisch ist an dem gegenwärtigen
Zustand im Principe nur allenfalls die Stellung der Bewohner der
occupirten Provinzen zu der sie beherrschenden Staatsgewalt. Es
widerstrebt unserem modernen Bewusstsein, ganze Individuen-
gruppen lediglich als Objecte der Beherrschung anzusehen, ohne
dass sie auf die Uebung der Herrschaft, auf die Determination
des Herrscherwillens den geringsten Einfluss haben sollten. Wir
haben das unmittelbare Bewusstsein, dass ein solcher Zustand auf
die Dauer nicht haltbar ist, und wir schliessen daraus, dass eine
Veränderung des dermaligen Zustandes über kurz oder lang ein-
treten muss. Aber begrifflich klebt diesem Zustande nichts pro-
visorisches an, er ist genau so definitiv, wie alle staatsrechtlichen
Anordnungen, die wandelbar sind mit der Veränderung der that-
sächlichen Machtverhältnisse. Rein theoretisch betrachtet ist die
Uebernahme der occupirten Länder seitens Oesterreich-Ungarns
durchaus kein Provisorium. Provisorisch ıst nur allenfalls die
unklare, aus politischen Gründen absichtlich zweideutig gewählte
Bezeichnung.
Nur von einem Gesichtspunkte aus könnte man es zu be-
gründen versuchen, dass die Uebernahme der Verwaltung einen
provisorischen Zustand geschaffen hat: vom Standpunkte der-
jenigen bereits oben bekämpften Theorie, welche in den Eingangs-
worten der Convention ihren Ausdruck gefunden hat. Wenn man
nämlich annehmen wollte, dass der Sultan Inhaber der Souveränität
in Bosnien und der Herzegowina ist, so könnte man vielleicht
darin einen provisorischen Zustand erblicken wollen, dass jemand
die Ausübung eines Rechtes übertragen ist, dessen Substanz einem
andern nach wie vor geblieben ist. Aber einerseits ist der Sultan
nicht der Inhaber der Souveränität über Bosnien und die Her-