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Pforte bestehenden Verträge üben österreichisch-ungarische Funk-
tionäre die Gerichtsbarkeit über ihre Nationalen im gesammten
Gebiete des türkischen Reiches. Gewöhnlich ist diese Funktion
den Consuln übertragen. Für das Gebiet des Sandjaks von
Novibazar, in dem die türkische Souveränität durch das öster-
reichische Garnisonsrecht in keiner Weise, weder rechtlich, noch
thatsächlich beeinträchtigt worden ist, wurde sie nun dem dem
österreichischen Militärcommandanten zugetheilten Civilcommissär
überwiesen?”). Es entstand nun die Frage, ob die im Sandjak
sich aufhaltenden Bosnier der Gerichtsbarkeit des österreichischen
Commissärs oder der türkischen Behörde unterstehen. Wenn die
Souveränität des Sultans über Bosnien thatsächlich unberührt
geblieben wäre, so hätte sie hier sich zeigen müssen, nachdem es
doch nicht möglich gewesen wäre, dass Oesterreich auf türkischem
Herrschaftsgebiete über türkische Unterthanen unter Beiseite-
schiebung der türkischen Behörden die Gerichtsbarkeit ausübt.
Aber selbst hier wahrte Oesterreich die Unterthanenhoheit über
die Bosnier gegen die Türkei. Der Erlass der Landesregierung
vom 13. November 1881 Z. 253832?) besagt: „In der Erwägung,
dass durch die seitens der österreichisch-ungarischen Monarchie
erfolgten Uebernahme der Verwaltung Bosniens und der Her-
zegowina, die Einwohner dieser Länder zur Monarchie in ein
rechtlich und factisch begründetes Abhängigkeits-Verhältniss ge-
treten sind, welches sie namentlich in allen Jurisdictionsangelegen-
heiten jeder anderen Autorität entzieht und auch über die Landes-
grenzen hinaus zum Ausdrucke gelangen muss, hat das hohe
27) Verordnung der Landesregierung vom 3. October 1881 Z. 21863
No. 256 des Sammelrechts, betreffend die Ausübung der Gerichtsbarkeit über
die Österreichisch-ungarischen Staatsangehörigen im Sandjak Novibazar.
») No. 281 der Sammlung für 1881. Dieser Erlass erzeugte zweifellos
positives, d. h. geltendes Recht. Es steht also mit dem positiven Rechte
in Widerspruch, wenn MarTEns (Völkerrecht I, S. 364) behauptet, dass die
Einwohner Bosniens und der Herzegowina „ausserhalb der Grenzen dieser
Provinzen wieder in die vollständige Unterthanenschaft der Türkei fallen.“
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