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bindung geschaffen worden. Denn Oesterreich-Ungarn hat nur
Landstriche, die bisher Theile des türkischen Gebietes waren,
unter einem freilich unscheinbaren Namen zur Beherrschung über-
nommen und nur ein neuer, völkerrechtlicher Act könnte dieser
Herrschaft ein Ende machen.
JELLINEK hat der Annahme, dass die Verwaltungsüber-
nahme eine besondere Form der Staatenverbindung bedeutet, eine
wissenschaftliche Begründung gegeben°®). Zwar anerkennt er, dass
das Wesen des Staates in der Verwaltung liegt?!), und dass die
Occupation ein dauerndes®?), also nicht bloss provisorisches Ver-
hältniss der beiden Provinzen zu Oesterreich-Ungarn geschaffen
hat. Aber er betrachtet dasselbe als eine einzig in ıhrer Art
dastehende Singularität. Werfen wir einen Blick auf die juristische
Construction, welche dieser scharfsinnige Vertreter der juristischen
Methode dem staatsrechtlichen Verhältniss Bosniens angedeihen
lässt, so zeigt sich, dass seine Argumentationen durchaus auf dem
Wortlaute der Convention beruhen, die wir anders als JELLINEK
interpretiren zu müssen glauben, und auch von der unrichtigen
Auffassung der Souveränität als eines Rechtes?) beeinflusst sind.
JELLINEK anerkennt, dass Oesterreich-Ungarn „sämmtliche aus
der Souveränität fliessenden Rechte über Bosnien und die Her-
zegowina ausübt“, und dass „die osmanische Regierung kein wie
immer geartetes Recht über diese Territorien hat“. Gleichwohl
hält er an der Souveränität der Pforte über dieselben fest?*). Er
%) Staatenverbindungen S. 113 ff.
1) Eodem 8. 114.
22) 8.116. Ebenso ULsrica, 1. c. 8. 27.
98) Staatenverbindungen S. 55.
4) Bezüglich der halbsouveränen Staaten vertritt JELLINEK die An-
schauung, dass die türkische Souveränität sich in der auch für diese be-
stehenden Geltung der von der Pforte für ihr gesammtes Reich abgeschlossenen
Staatenverträge äussert. (Vgl. übrigens Lmee a. a. O. S. 226 ff... Dass aber
die türkischen Staatsverträge für Bosnien und die Herzegowina gelten, be-
hauptet auch JELLINEK nicht. Eine solche Annahme stünde auch im Wider-
spruch mit dem oben genannten Gesetze vom 20. December 1879 No. 136