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materiellen Inhalt, ist nur ein künftig etwa geltend zu machender
Anspruch, kein subjectives Recht der Pforte. Wenn JELLINFEK
aus dem Wortlaute der Proclamation des Commandanten der
Occupationstruppen vom 28. Juli 1878 ableiten will, dass Oester-
reich-Ungarn diese Provinzen als Theile eines fremden Staates
betrachtet, so ist diese Annahme schon durch das Verwaltungs-
gesetz und alle späteren Gesetze der beiden Ländergebiete der
Monarchie widerlegt. Ueberdies ist in der Proclamation, selbst
wenn man davon absehen wollte, dass eine militärische Pro-
clamation schwerlich nach staatsrechtlichen Gesichtspunkten zu
interpretiren ist, durchaus nicht ausgesprochen, dass der Sultan
diese Länder dem Kaiser von Oesterreich „anvertraut“ habe, da-
mit dieser sie ihm wieder zurückgebe und als fremdes Eigenthum
verwalte. JELLINEK spricht es auch selbst aus°®’), dass der Ber-
liner Congress unter dem Namen der Verwaltungsbefugniss die
volle Souveränität an Oesterreich zu übertragen Willens war. Man
verweigert der Etablirung der österreichischen Herrschaft über
Bosnien und der Herzegowina nur deshalb den Namen der In-
corporation, weil die Occupation eines von beiden Staaten der
Monarchie gemeinsam beherrschten Gebietes auch eine materielle
Veränderung des staatsrechtlichen Verhältnisses dieser beiden
Staaten zu einander entstehen liess, welche Veränderung aber
bisher weder in der Theorie, noch in der Praxis der gesetz-
gebenden Factoren der Monarchie eine ausreichende Würdigung
gefunden hat, und weil in dem vor der Occupation zu Recht be-
standenem Verhältniss der beiden Staaten ein Raum für die In-
corporation neuer Ländergebiete nicht gegeben ist.
Mit richtigem Blick hat JELLINEK erkannt, dass die staats-
rechtliche Stellung Bosniens und der Herzegowina eine generisch
andere ist, als die Stellung Cyperns, obschon auch beide unter
demselben Begriff der „Uebernahme in die Verwaltung“ subsumirt
») S. 117 No. 6.