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sinne betrachtet wissen — eine Behauptung, die, wie wir
sehen werden, unrichtig ist —, die Arbeiterversicherung müsse
daher, auch wenn sie von den bisher in der Rechtswissenschaft
als Versicherungsverhältnisse anerkannten Rechtserscheinungen in
ihrer Eigenart noch so sehr abweiche, dennoch ein Versicherungs-
verhältniss sein, weil sie der Gesetzgeber so nenne!”). Zum
Anderen wird behauptet, das geltende Recht kenne bereits
gesetzliche Versicherungsverhältnisse !?).
Beide Begründungen sind m. E. nicht zu halten. Die ersteren
deshalb nicht, weil Konstruktionen, die der Gesetzgeber in seine
Rechtsregeln einstreut, zum unverbindlichen Gesetzesinhalt gehören.
Konstruktionen sind logische Urtheile, nicht aber solche Urtheile,
sondern nur Rechtsb efehle des Gesetzgebers binden, sind rechts-
erheblich 7). Für die zweite Behauptung führt man als Beispiel
die zwangsweise Immobiliar- Feuerversicherung an?°). Allein so-
weit bei dieser wirkliches Versicherungsverhältniss im privat-
rechtlichen Sinne des Wortes vorliegt, ist es ein vertrags-
mässiges. Das Versicherungsverhältniss kommt nicht zu Stande
ohne eine massgebende Willenserklärung des Versicherten. Es
herrscht Beitrittszwang. Derselbe besteht aber in nichts anderem
als der verwaltungsrechtlichen Verbindlichkeit der Eigenthümer
gewisser Gebäude, mit der öffentlichen Versicherungsanstalt einen
privatrechtlichen Versicherungs vertrag abzuschliessen. Es bedarf
einer Willenserklärung beider Theile, einer Aufnahme und einer
Erklärung der Bereitwilligkeit zur Aufnahme. Art. 10 des bayr.
Ges. über die Brandversicherungsanstalt für Gebäude in den
Landestheilen diesseits des Rheins v. 3. April 1875 sagt aus-
drücklich — es gilt dies auch für die Fälle, wo Gebäude dem
ı7) So MenzEL S. 344 und besonders PıLorv S. 166.
18) MENZEL a.a. 0. S. 347.
12) Vgl. den hervorragenden Aufsatz von Kısere im Archiv für civi-
listische Praxis Bd. 69 S. 303, 310, 314, 8316. — Gegen MexzeEL vollkommen
zutreffend Lapannp Bd. II 8. 245 No. 2.
20) MENZEL a. a. O. 8. 347.