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öffentlichrechtlicher Vermögensleistungen beachtet der Ge-
setzgeber von vorne herein die Leistungsfähigkeit der Betheiligten.
Er statuirt Steuer- und Gebührenbefreiungen. Zum Theil
aus gleichem Grunde ist in den Reichsversicherungsgesetzen die
Möglichkeit der Befreiung von Beiträgen vorgesehen, nämlich in
den früher angeführten 88 52 des K.-V.-G. u. 16 des L.-U.-V.-G.,
gerade so, wie nach Art. 20, Abs. 3, des bayerischen Kranken-
pflegegesetzes v. 29. April 1869 Personen, welche an sich zur
Zahlung von Krankenkassebeiträgen verpflichtet sind, von dieser
Verpflichtung durch die Gemeindeverwaltung befreit werden können.
In beiden Fällen handelt es sich nicht um Nachlass einer in con-
creto schon begründeten Steuerpflicht, sondern um Beseitigung
der Steuerpflichtigkeit überhaupt.
Und nun der letzte Prüfstein der hier vertretenen Auffassung.
Soll die Arbeiterversicherung des Reichsrechts nicht Versicherung
im privatrechtlichen Sinne des Wortes, sondern öffentliche Für-
sorge unter Erhebung von Interessentensteuern sein, dann ist zu
erwarten, dass wenigstens theilweise die Verpflichtung zur
Leistung von Fürsorgerenten unabhängig is
von der thatsächlichen Entrichtung der Beiträge,
während nach den bei der privatrechtlichen Versicherung in
Uebung stehenden Bedingungen meist mit Einstellung der Prä-
mienzahlung die Anwartschaft auf etwaige Entrichtung der Ver-
sicherungssumme ihre Kraft verliert °°). Und in der That, ausser
bei der Invaliditäts- und Altersversicherung wird regelmässig der
Fürsorgeanspruch unabhängig von der Leistung von Beiträgen
allein durch die Thatsache der Beschäftigung in einem
versicherungspflichtigen Betriebe erworben. Der Anspruch auf
Krankengeld und Unfallrente ist der Regel nach nicht von der
Frage bedingt, ob die Beiträge wirklich eingezahlt, im Zwangs-
wege beizutreiben oder uneinbringlich sind. Ja nach $ 28 K.-V.-G.
60, Vgl. hieher Lewis S. 183, Rosm a. a. O. S. 354, Lasann Bd. II
S. 247.
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