Literatur.
Albert Keller, Das Volksinitiativrecht nach den schweizeri-
schen Kantonsverfassungen. Zürich 1889, 135 Seiten.
Der Verfasser schliesst gleich im Beginn seiner Schrift die politische
Beurtheilung des Initiativrechtes aus, indem er sagt: „Eine politische Be-
trachtung des schweizerischen Volksinitiativrechtes liegt uns fern. Wir be-
rühren die Frage des »sob« in keiner Weise, sondern gehen lediglich von dem
gegebenen Rechtszustande aus“.
Es ist dies für eine Doctordissertation sehr wohl zulässig; bei einer
Schrift, die nicht zunächst zu diesem Zwecke, oder von einem älteren, bereits
im activen Staatsleben stehenden Manne geschrieben wäre, würde man es
tadeln müssen, denn die Initiative wie auch das Referendum, mit dem sie
zusammenstösst, sind ganz eminent politische Institute, die da wo sie be-
standen und bestehen, nur aus politischen und keineswegs aus sonstigen
Zweckmässigkeitsgründen eingeführt worden sind. Auch das Umgekehrte
liesse sich leicht behaupten und beweisen. Wo die Initiative neben dem
Referendum nicht befürwortet wird, da geschieht dies aus Besorgniss in
diesen sogenannten „Volksrechten“ zu weit zu gehen, selbst angenommen
und zugegeben, dass das Eine Recht die natürliche Ergänzung und Fort-
setzung des Andern bildet. Das ist also auch eine „politische* Frage. Die
ältere Referendumsgeschichte der Schweiz kennt die Initiative nicht. In
Graubünden z. B. besteht sie erst seit 1880°), und auch diejenigen Volks-
abstimmungen, wie sie z. B. in Bern zwischen 1449 und 1610 öfter vor-
kommen, geschehen wenigstens formell nie auf Anregungen aus den Volks-
kreisen. Einzig im Jahr 1531 kommen Volksausschüsse ungerufen nach Bern,
um mit der Regierung über eine Formulirung des Referendums-Rechtes zu
verhandeln, worüber ein unseres Wissens nach niemals publizirter weit-
läufiger Abschied besteht und im Jahre 1589 zwang thatsächlich eine all-
gemeine Volksstimmung die bernische Regierung den Frieden von Nyon
den sie mit dem Herzog von Savoyen abgeschlossen und bereits ratificirt,
aber noch nicht beschworen hatte, wieder zu suspendiren und auf Gefahr
1!) In diesem Punkte ist das in Deutschland verbreitete Staatsrecht der
schweizerischen Eidgenossenschaft von ORELLI in Marquardsen’s Sammlung
zu corrigiren.