Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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eines Krieges hin der Landschaft zur Abstimmung vorzulegen, die ihn dann 
mit grosser Mehrheit, als der protestantischen Religion und dem Schutzvertrage 
mit Genf verderblich verwarf. In den eigentlichen sogenannten „Referenduns- 
Kantonen“ Graubünden und Wallis beruhte diese jetzt „Referendum“ ge- 
nannte Abstimmung auf der föderativen Gestaltung dieser Länder, welche 
keinen einheitlichen gesetzgebenden Rath hatten und ebenso nur eine geringe 
gemeinsame Gesetzgebung. Der Haupttheil der inneren Gesetzgebung und 
Verwaltung, der nicht äussere Angelegenheiten betraf, für welche diese 
Conföderationen in erster Linie überhaupt nur bestanden, ging in den einzelnen 
Republiken (Hochgerichten in Graubünden, Zehnten im Wallis) vor und wurde 
dort in Landsgemeinde-Art verhandelt. Man kann daher schon mit dem 
Verfasser unserer Schrift sagen, dass die historische Grundlage nicht allein 
der Initiative, sondern der Volksgesetzgebung überhaupt in der Lands- 
gemeinde zu suchen sei, sofern man eben noch jene föderativen Einrichtungen 
mit berücksichtigt. Aus der einfachen Landsgemeinde heraus hingegen ist die 
Volksabstimmung erst in moderner Zeit (1848 in Schwyz und Zug) entstanden?). 
Das Vorschlagsrecht (Anzugsrecht) an den Landsgemeinden, d. h. das 
Recht aus dem Schoosse der Versammlung Anträge an das Volk zur Be- 
schlussfassung zu bringen, kommt allerdings in den sogenannten Lands- 
gemeinde-Kantonen in irgend einer Weise immer vor und hat sogar eine 
sehr interessante von dem Verfasser auf pag. 5—28 kurz geschilderte Ge- 
schichte, es ist aber im Grunde doch etwas Anderes, als die heutige 
„Initiative und dreht sich viel weniger um die constitutionelle Frage, ob 
überhaupt aus dem Schoosse der Versammlung Anträge gestellt werden 
dürfen, oder ob die repräsentativen Organe des Staatswesens allein dazu be- 
rechtigt seien, als um die nähere Formulirung des Anzugsrechtes, um plötz- 
liche Ueberraschungen und übereilte Beschlüsse zu verhindern. 
Der Verfasser verfolgt dann die Versuche der französischen Revolutions- 
periode (durch ConDorcET und BABoEUF) die volonte nationale zu organisiren, 
welche in der revidirten Genfer Verfassung von 1796, kurz vor der Annexion 
Genfs an Frankreich zur Geltung gelangten (pag. 36). 
In der modernen Zeit begann die Aera der sogenannten „Volksrechte“ 
zuerst mit dem St. Gallischen Veto von 1831, d.h. dem Rechte ein von dem 
repräsentativen Körper ausgeschriebenes Gesetz innerhalb einer gewissen 
Zeitfrist gesetzlich erlaubten Widerstand zu leisten. Es ist nicht eine Er- 
klärung des Volkes ob Ja oder Nein, sondern einfach eine Art von er- 
laubter Opposition gegen die an und für sich dem Grossen Rathe zustehende 
gesetzgebende Gewalt, wurde daher auch gewöhnlich mit dem ganz bezeich- 
nenden Namen „Vetosturm“ belegt. 
  
  
2) Ueber die graubündnerischen Verhältnisse, welche die interessantesten 
sind, ist in diesem Jahre eine bernische Doctordissertation v. R. A. GANZoNI 
„Beiträge zur Kenntniss des bündnerischen Referendums“ im Drucke erschienen.
	        
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