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Abstimmung unterliegen, nur handelt es sich eben jetzt bei den Kantonen
wesentlich nur noch um sogenannte Konkordate über nichtpolitische Dinge.
Ein Staatsvertrag mit dem Auslande ist in unserer modernen Geschichte
noch niemals weder von der Eidgenossenschaft, noch von einem Kanton dem
Referendum unterworfen worden und es würde das wohl auch den Regeln des
völkerrechtlichen Verkehrs zu sehr widersprechen.
In neuester Zeit, seit Entstehung der hier besprochenen Schrift hat die
Frage der Initiative insofern einen sehr bemerkenswerthen Fortschritt ge-
macht, als nun der Bundesrath eine Abänderung der bestehenden Revisions-
Artikel der Bundesverfassung in dem Sinne vorschlägt, dass 50,000 Initianten
auch die Partialrevision (Abschaffung oder Einführung eines bestimmten
Verfassungsartikels) begehren können. Bis jetzt war dies nach der Praxis nur
in der Weise der Fall, dass eine solche Initiative als ein Antrag auf Ver-
fassungsrevision überhaupt aufgefasst wurde. Wenn diese Revision an-
genommen wird, woran kaum zu zweifeln ist, so ist dies ein Schritt näher zu
dem von sehr zahlreichen Stimmen befürworteten Einführung des obligato-
rischen Referendums in die Eidgenössische Verfassung®).
Der Verfasser dieser Besprechung ist persönlich der Ansicht, dass dat
obligatorische Referendum, obwohl es die consequentere Durchführung dieses
Volksgesetzgebungsrechtes ist und ohne Zweifel die Zukunft, vielleicht noch in
weiteren Kreisen, als die Schweiz allein, für sich hat, für die eidgenössi-
schen Verhältnisse speziell weniger geeignet sei, als das facultative, das
freilich einer etwas besseren Organisation, als die jetzige, bedürfte®).
Eine eidgenössische Initiative hält er, im Gegensatz zu den meisten Leuten
seiner politischen Anschauung, ebenfalls für eine praktisch bedenkliche Er-
gänzung, indem dieselbe die ohnehin schon unaufhörliche Revolution in der
(Gesetzgebung noch vermehren und das Schicksal des Staates in die Hände
einzelner Agitatoren, oder namentlich von Vereinen und Klassenvertretungen
legen würde”), die nach und nach einen „Staat im Staat“ zu bilden gesonnen
und geeignet wären und den wirklichen Staatsbehörden kaum etwas weiteres
als die Ausführung ihrer Gedanken übrig lassen würden. Käme noch die
Minoritäten-Vertretung mit mandat imp6rativ der Gewählten dazu, so wären die
repräsentativen Theile des Staatskörpers voltständig paralysirt. Hilty.
5) Ueber diese Verfassungsrevision und die Frage der Initiative speciell
verweise ich auf das im September erscheinende „Politische Jahrbuch der
schweizerischen Eidgenossenschaft*, Artikel I. „Freiheit* und die Jahres-
übersicht, die darüber Näheres enthalten.
#) Dieselbe steht übrigens auch durch ein neues Gesetz bevor.
7) Wie leicht es ist 50,000 Stimmen für irgend etwas Neues zusammen-
zubringen (und mehr würde man wohl nie verlangen) zeigte in diesem Jahre
die Agitation für das „quadratische“ Schweizerkreuz, an dem Niemand ein
wahres Interesse besass, und die es dennoch auf über 30,000 Stimmen brachte.