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ab von einer praktischen Erprobung, davon dass alle deducirten Elemente,
Begriffe, Kategorien, Rechtsfolgen wirklich im Leben vorgekommen oder in
dies umgesetzt sind: der Satz über das Quadrat der Hypothenuse ist wahr,
auch wenn niemals über den Seiten eines Dreiecks Quadrate errichtet worden
wären! Das Mittel zur Erkenntniss ist vielmehr die Entwicklung der noth-
wendigen Folgerungen von einem möglichen Thatbestande aus. Nur solche
Grundlagen werden anerkannt, welche der Natur der Dinge entsprechen; diese
werden erforscht, in Beziehung gesetzt und so wird logisch bestimmt, welche
Formen der Rechtsvorgänge möglich und welche Folgerungen zwingend sind.
„Notre seul critere est la possibilite d’une certaine institution d’aprös la nature
des choses.* — Den praktischen Nutzen dieser speculativen Rechtsbearbeitung
erblickt der Verfasser darin, dass so .die Erkenntniss der wahren Natur der
Dinge ermöglicht, die Grundgedanken des positiven Rechtes klargelegt und
Wissenschaft wie Gesetzgebung von dem Joche des Romanismus befreit werden.
Halten wir die Kritik zurück und sehen zunächst, wie der Verfasser
aus diesen Gedanken ein Rechtssystem gestaltet.
Die Grundlage dieses ist in dem ersten Theile des Werkes gegeben
als: „Analyse des clements de toute relation juridique.* In richtiger Con-
sequenz des Ausganges seiner Theorie entwickelt der Verfasser hier die Grund-
bestandtheile, welche begrifflich zu jedem Rechtsverhältnisse (relation Juri-
dique) erforderlich sind.
Er nennt deren vier.
1. le fait soumis au droit. Alles Recht hat zum Inhalte in letzter
Linie die Regelung der socialen Beziehungen der Menschen untereinander.
Dieser Verkehr kann nur auf sinnlicher Vermittelung beruhen, da es eine
unmittelbare Communication der Seelen nicht gibt. So muss also jede
Rechtsbezichung sich physisch darstellen und vermitteln lassen. — Aus dieser
„relation sociale* wird gefolgert, dass jedes Rechtsverhältniss in der Be-
rührung der Interessen von mindestens zwei Personen sich äussert. Diese
„Lheorie der zwei Subjecte* ist eine fundamentale und dient später zur
Lösung der wichtigsten Probleme wie z. B. der Begriffe des dinglichen und
des Forderungsrechtes.
2. l’objet du droit. Das Object des Rechtes ist nicht, wie üblicher
Anschauung dies geläufig scheint, der materielle Gegenstand, sondern der
Rechtseffect der positiv oder negativ mit Nr. 1 verknüpft wird. So ist zu
dem Satze: jeder Mensch ist besitztähig, das „Rechtsobject“: abstention
d’autes contestant la possession. (Der Verfasser erkennt selbst die Schwäche
seiner Terminologie; aber auch in dem Begriffe scheint: nichts anderes zu
liegen, als was wir unter „Rechtsinstitut“ zu verstehen pflegen.)
3. lV’injonction: d. h. der Befehl des Gesetzgebers, welcher 1 mit 2
verbindet.
4. la sanction: die Sanction des Gesetzgebers in dem uns geläufigen
Sinne. Wesentlich ist ihr die äussere Erzwingbarkeit.