Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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So oft nun diese vier Elemente vereingt sind, ist eine Rechts- 
erscheinung da, eine relation juridique oder eine r&gle de droit und nicht 
religion, morale, conseil d’interet, politique ete. Als Definition der regle de 
droit ergibt sich, sie ist: „l’expression de la volonte qu’un certain fait 
social soit suivi forc&ment d’un certain effet social“. (S. 71.) — Ein Beispiel 
mag schliesslich angeführt werden, um die Bedeutung der Analyse klar- 
zustellen. 
Tout ötre humain est une personne capable de posseder. (Dies ist der 
Rechtssatz, dessen Elemente nun nachgewiesen werden.) Fait: apparition 
d’un &tre humain. Subjet actif: lu. Objet: abstention d’actes contestant 
la possession. Subjet passif: toutes les personnes. Sanction: maintien ou 
reprise de la possession eventuellement reöpression etc. (cf. S. 97ff.). 
Zur Charakteristik jeder Rechtsbeziehung gehören, dies liegt bereits 
in den entwickelten Bestandtheilen derselben, zwei Wirkungen, die mit- 
einander auf das innigste correspondiren: der Schutz der erlangten Stel- 
lung für das active Subject und das Zwingen des passiven Subjectes unter 
die eingegangene Obligation. (Macht und Gebundenheit nach MErker.) Kein 
Recht ohne die entsprechende Verpflichtung. Daraus folgt als der richtige 
Begriff des Rechtes: „l’ordre qu’un fait social soit suivi d’un autre fait 
social, avec sanction forcee en cas d’inexecution* (S. 90). 
Soweit Rogum. Wir würden seinen tiefer gehenden juristischen Unter- 
suchungen nicht gerecht werden, wenn wir an dem höchst unglücklichen 
Vergleiche der Jurisprudenz mit der Mathematik haften wollten. Dass unser 
Rechtsleben ebensowenig wie unser Denken und Handeln sich aus bestimmten 
Formeln herausrechnen lässt, bedarf keines Wortes der Darlegung. Aber es 
ist doch nicht zu übersehen, dass bei Rogumm gerade so wie bei manchen neueren 
deutschen Autoren ein analoger Gedanke versteckt waltet. Die feine psycho- 
logische Zerlegung des Willensprocesses, die genaue Bestimmung des Ver- 
hältnisses der Vorstellung zu der Handlung, das sich schliesslich mit seinen 
Fehlern und Irrthümern auch formalmässig darstellen lässt, ist — so vortreff- 
lich philosophisch alles ausgedacht sein mag — in seiner juristischen Ueber- 
tragung nie ohne Bedenken. Man entgeht unter dem Wohlgefallen an der 
feinsinnigen Gedankenarbeit nicht leicht der Versuchung, nun auch das 
Leben unter dem Gesichtspunkte dieser Formulirung festzubannen. 
Das sociale wie das Rechtsleben ist kein mathematisches, aber auch kein 
philosophisches Exempel und daher nicht zu berechnen, noch zu erkennen 
mit den für andere Wissenschaften geltenden Mitteln. Auf eigenen Füssen 
muss die juristische Construction stehen und andere Bahnen gehen als die 
Philosophie. Der Satz, den G. RÜMELIN jüngst wiederum aufgestellt (Iuerme’s 
Jahrbücher Bd. 28 S. 386 ff.), dass richtige Logik niemals in Conflict kommen 
wird mit den Forderungen des praktischen Lebens, können wir dabei völlig 
unterschreiben; aber die richtige Logik ist für den Juristen nur die Logik 
des Lebens und des positiven Rechtes. Und an die Stelle der rationalistisch
	        
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