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D. R. 1884 S. 346 ausgesprochen.) Abgesehen von anderen Einwendungen
ist es heute doch ausser allen Zweifels, dass der Staat auch Privatrechts-
geschäfte abschliessen kann! Diese rein äusserliche formalistische Abgrenzung
führt uns keinen Schritt weiter in der Lösung der ebenso wichtigen wie
schwierigen Frage.
Auf rein privatrechtliche Untersuchungen ist nicht näher hier ein-
zugehen. Besonders betont sei aber die reiche Berücksichtigung, welche der
Verfasser dem Entwurfe e. B. G.-B. zuwendet. So z. B. 8. 272 für die
Eigenthumsdefinition des Entwurfes; S. 281 p. Rechtssatz Kauf bricht Miethe;
S. 357 p. Gegenstand der Obligation,; S. 366 Begriff derselben; S. 425 p.
Intestaterbfolge. Ueber das Verhältniss der Obligationen zum Sachenrechte
behauptet der Verfasser: Inhalt der relativen Rechte ist der Gebrauch oder
die Uebertragung absoluter Rechte; die Rechtsordnung kann daher keine
obligatorische Leistungspflicht auferlegen, ohne die Fähigkeit des Ver-
pflichteten anzuerkennen, Inhaber von dinglichen Rechten zu sein. Diese
müssen sich also entwickelt haben und müssen existiren, bevor von Obliga-
tionen die Rede sein kann. Der Entwurf verstösst mithin gegen die logische
und historische Ordnung, wenn er das Recht der Schuldverhältnisse voran-
stellt und das Sachenrecht folgen lässt. Ohne uns dem Vordersatze an-
schliessen zu können, halten wir die Entscheidung für treffend und diese
wie andere Einwendungen gegen den Entwurf für sehr beachtenswerth.
Königsberg i. Pr. Professor F. Endemann.
0. Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das
deutsche Recht. Veränderte und vermehrte Ausgabe der in
Schmoller’s Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volks-
wirthschaft erschienenen Abhandlung. Leipzig, Duncker & Humblot
1889. (S. XIX und 592). Preis M. 11.20.
Gegenüber dem Entwurfe eines Werks, das vom deutschen Volk Jahr-
zehnte lang gefordert worden ist und dessen Vollendung es mit Ungeduld
erwartet, hat die wissenschaftliche Kritik einen schweren Stand. Der Leit-
stern der Wissenschaft ist die Wahrheit, darum wird die Wissenschaft ihrem
Beruf untreu, wenn sie nicht die Mängel, die dem Entwurf anhaften, rück-
sichtslos darlegt. Aber muss sich nicht die Kritik gewisse Schranken auf-
erlegen, um das endliche Zustandekommen des ersehnten Werks nicht zu
gefährden? Setzt sie sich nicht, wenn sie rücksichtslos ihres Amtes waltet,
dem Vorwurf aus, dass sie wie Mehlthau auf die Blüthe wirke und die Aus-
sicht auf künftige Frucht vernichte? Solche Bedenken machen sich in weiten
Kreisen geltend; „mag der Entwurf“, sagt man, „in Manchem oder auch in
Vielem mangelhaft sein: wir müssen über die Mängel hinwegsehen, weil wir
sonst nie das Gesetzbuch und mit ihm die Rechtseinheit erreichen.“ Anderer An-
sicht ist GIERKE; er verkennt nicht die Gefahr, die aus einer Verwerfung
des Entwurfs entspringt, aber er bietet ihr die Stirn: er hält sie nicht für