Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

— 603 — 
hang mit der alten Kommission“ aufgeben müssen; sie hat geleistet, was sie 
leisten konnte, ihr gefällt ihre Schöpfung, sie wird also davon aufrecht zu 
erhalten suchen so viel wie möglich ist, und sollen oder werden die neuen 
Mitglieder den alten bei jeder Gelegenheit ins Gesicht sagen, dass ihr Werk 
nicht zu brauchen sei? Allein auch abgesehen hievon erscheint uns die 
vorgeschlagene und überhaupt jede neue Kommission verfehlt; mit Recht 
verlangt G. vom Verfasser des künftigen Gesetzbuchs schöpferischen Geist: 
nur ein solcher kann ein formvollendetes Werk aus einem Guss zu- 
standebringen; das Werk einer neuen, namentlich aber der etwas bunten 
G.’schen Kommission könnte, wenn es überhaupt fertig würde, nur eine 
Sammlung von Majoritätsbeschlüssen oder das Produkt der verschie- 
densten Kompromisse sein. Der einzig richtige Weg zum Ziel scheint uns 
die Bestellung eines Verfassers — eines Juristen im eingangs bezeichneten 
Sinn —, dem man juristische und andere Hülfskräfte nach seiner, nicht 
nach des Bundesraths durch partikularistische Höflichkeitsrücksichten beein- 
flusster Wahl beigibt; zuvor mag dem Reichstag Gelegenheit gegeben 
werden, seine Meinung über die wichtigsten vom Gesetzbuch zu berührenden 
socialen Fragen kundzugeben. 
Ulm. Landgerichtsrath G. Pfizer. 
Schuppe, W., Das Gewohnheitsrecht, zugleich eine Kritik der 
beiden ersten Paragraphen des Entwurfes eines bürger- 
lichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Breslau, 
Wilhelm Köbner, 1890. 
Der Gedankengang vorliegender Schrift ist folgender: 
Die Frage, ob die Gewohnheit bloss Erkennungszeichen oder Entstehungs- 
grund des Gewohnheitsrechtes sei, kann nicht ohne die allgemeinere Frage 
nach dem Entstehungsgrunde des Rechtes überhaupt abgemacht werden. Da 
unter Geltung des Rechtes nicht so sehr die thatsächliche Anwendung, als 
vielmehr die Anerkennung des Rechtes, die übereinstimmende Meinung des 
Sollens der Anwendung zu verstehen ist, so sind Entstehungs-, Geltungs- 
und Verbindlichkeitsgrund des Rechtes gleichbedeutende Begriffe. Das Recht, 
d. h. das geltende Recht, besteht aus willenskräftigen Ueberzeugungen. Wille 
und Ueberzeugung sind ein Ganzes; Ueberzeugung existirt nicht ohne Wille 
und umgekehrt. Wer das eine von beiden nennt, hat das andere mit- 
genannt. (8.18.) Die Recht schaffende Ueberzeugung ist nicht etwa solche 
davon, dass etwas Recht sei; denn die Ueberzeugung selbst ist Recht, sie schafit 
dasselbe nicht als etwas ausserhalb ihr Mögliches. Die Ueberzeugung, welche 
das Recht ausmacht, ist vielmehr solche von dem Müssen und Sollen einer 
Handlungsweise. Sie ist in letzter Instanz auf eine Werthschätzung ge- 
gründet. Der Gegenstand, der Werth, welcher geschätzt wird, ist der der 
„Bewusstseinsconcretion“ als solcher. Diesen eigenthümlichen Ausdruck hat 
Verfasser schon früher (Grünhut’s Zeitschrift Bd. TX S. 168) erklärt; er 
40*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.