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direkten Steuern, über die Entwicklung des Eisenbahnwesens in Baden, und
endlich über die Einrichtungen der Amortisationskasse sind es, welche dem
Buche, wie eine erhöhte wissenschaftliche Werthschätzung, so hauptsächlich
in der Frage der zukünftigen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Reichs-
und Landesfinanzen eine aktuelle Bedeutung verleihen Es scheint daher
nicht unpassend, die Stellungnahme des Buches in diesem letzten Punkte
zu kennzeichnen.
Die thatsächlichen finanziellen Beziehungen Baden’s zum Reiche
sind in Folge der stetigen Vermehrung der unmittelbaren Reichseinnahmen
nach dem Voranschlage für 1888/89 derartig, dass die Matricularbeiträge
nur mehr einen durchlaufenden Posten und keine wirkliche Belastung des
Staatshaushaltes darstellen. Die badischen Staatskassen haben direkt nichts
mehr zum Reiche zu leisten.
Dieser Zustand ist aber nur ein rein thatsächlicher, und hängt seine
Dauer davon ab, dass die Einnahmen des Reiches in der Höhe des Budgets
eingehen, bezw. dass die Ausgaben des Reiches nicht durch ausserordentliche
Ereignisse eine Steigerung erfahren. Jede Verschiebung des Gleichgewichtes
im Reichshaushalte macht die derzeit ruhende, und nur als Rechnungsmass-
stab existente Grösse der Matrikularbeiträge wieder lebendig, und bei der
beträchtlichen Höhe, welche dieselben erreicht haben, würde die Rück-
wirkung auf die Landesfinanzen eine schwer zu empfindende sein. „Abgesehen
davon, dass ni:ht in allen Gliedstaaten eine solche plötzlich avf sie über-
wälzte Last ein elastisches und tragfähiges Steuersystem vorfindet, wirken
die Matrikularbeiträge anerkanntermassen ihrer rohen Veranlagung gemäss,
wie Kopfsteuern ungleichmässig und ungerecht, zumal für die kleineren
Staaten.“ Die Aufgabe, die Verbindung zwischen Reichsfinanzen und Landes-
finanzen so zu ordnen, dass die Einnahmesysteme zu allen Zeiten und ohne
gegenseitige Störung mit Sicherheit dem wechselnden Masse der Bedürfnisse
zu folgen vermögen, könne, wie WAsnEr schon 1871 in Vorschlag brachte,
nur durch Einführung einer Reichseinkommensteuer, bezw. durch Ueber-
führung der bestehenden Einkommensteuern der Einzelstaaten in eine Reichs-
einkommensteuer gelöst werden. Weit entfernt, dass die bestehenden Ver-
schiedenheiten der Particulargesetzgebungen ein Hinderniss b'lden, sei
umgekehrt darin ein Ansporn, auch auf diesem, praktisch überaus belang-
reichen Gebiete zur Einheit vorzudringen. Viel hänge von der gegenwärtig
im Flusse befindlichen Reform der preussischen Einkommensteuer ab.
Würde hierbei auf die jüngsten Gesetzgebungen in Sachsen, Baden, Hessen
u. s. w. Rücksicht genommen, so wäre damit ein grosser Schritt zur Ver-
wirklichung des Zieles gemacht.
Noch sei bemerkt, dass ein Anhang vergleichender, finanzstatistischer
Tabellen über den behandelten Zeitabschnitt das hiermit bestens empfohlene
Werk für seine praktische Brauchbarkeit wesentlich bereichert.
Wien. Prof, Gustav Seidler.