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aber unthunlich. Denn diesen drei Gruppen seien rechtlich nur die äusser-
sten Grundzüge gemeinsam, die Verschiedenartigkeit in der Ausgestaltung
würde die Einheit des Systems kaum mehr erkennen lassen. Dazu komme,
dass das Arbeiterversicherungsrecht als Ganzes ohnehin immer noch unfertig
sei. Rosm hat diese Bedenken offenbar nicht getheilt. Er findet in den
drei Gruppen Elemente genug, welche sich als gemeinschaftliche Factoren
herausheben lassen, und nicht bloss die äussersten Grundzüge, sondern eine
breite, feste Grundlegung für den systematischen Aufbau einer die gesammte
Socialgesetzgebung umklammernden Darstellung abgeben. Diesen „reichs-
rechtlichen Grundlagen der Arbeiterversicherung“ ist der erste, auf 30 Bogen
berechnete Band seines Werkes gewidmet, dessen erste Abtheilung vor-
liegt, während der zweite Band die drei Gruppen einzeln behandeln wird.
Sein Arbeitsplan ist also ungleich kühner und grossartiger angelegt, als der-
jenige PıLory's. Dieser durchmustert gleichsam von mittlerer Höhe ein be-
grenztes Gesichtsfeld, indess jener von der höchsten Spitze aus den ganzen
Umkreis überblickt. Hieraus ergibt sich die relative Verwandtschaft und
zugleich die innere Verschiedenheit beider Bücher: Der Gegenstand von
Pınoty’s Darstellung gehört auch zu dem Vorwurf der Rosın’schen, aber
er ist beide Male von einem anderen Standpunkte, unter einem veränderten
Gesichtswinkel aufgefasst. So behaupten beide Bücher neben einander ihren
selbständigen Werth und bilden, jedes in seiner Art, eine schätzenswerthe
Bereicherung unserer öffentlich-rechtlichen Literatur. In wie weit sie im
Einzelnen sich mit einander berühren und von einander abweichen, wird eine
kurze Inhalts-Uebersicht ihrer bis jetzt erschienenen Abschnitte ergeben.
Beide beginnen selbstverständlich mit der Entstehungsgeschichte. Rosın
begnügt sich mit einer gedrängten Skizze, zunächst der Bestimmungen des
früheren Rechts, nach denen eine Fürsorge für den Arbeiter, durch den
Arbeitgeber, oder auf genossenschaftlichem Wege, oder Seitens des Staats
und der Gemeinde begründet war, und weist darin eine Reihe von Bau-
steinen nach, welche bei der Aufrichtung der*späteren Gesetzgebung benutzt
worden sind. Diese selbst wird nur im knappsten Umriss vorgeführt, ohne
der officiellen und privaten Gestaltungsversuche zu gedenken, welche der
parlamentarischen Berathung vorangegangen, aber unter Hervorhebung aller
für die juristische Auslegung des jetzigen Rechts von Belang erscheinenden
Punkte.
Bei PıLoty nimmt nicht nur die Schilderung des früheren Rechts-
zustandes, sowie der Genesis der einzelnen Gesetze einen viel breiteren Raum
ein, sondern es werden auch die Vorstadien und Reformbestrebungen weit
ausführlicher behandelt. Uebrigens sieht sich der Verfasser hier doch ge-
nöthigt, über die Grenzen des Unfall-Versicherungsrechts hinaus zu gehen
und auch die mit seiner Entstehung unlöslich verwickelte Geschichte der
anderen Rechtsgruppen in seine Darstellung mit herein zu ziehen.
Der historischen Einleitung lässt Rosm fünf Bücher folgen: Das erste