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eigentlich heissen: »steht zu und liegt ob«; denn das Bundes-
präsidium hat nicht bloss das Recht, sondern auch die Pflicht,
die vom Bundesrath und Reichstag beschlossenen Gesetze zu ver-
künden“. Zur Stütze dieser Behauptung greift HıERSEMENZEL auf
Art. 5 zurück, welcher damals lautete: „Die Bundesgesetz-
gebung wird ausgeübt durch den Bundesrath und den Reichstag.
Die Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versamm-
lungen ist zu einem Bundesgesetz erforderlich und ausreichend
(Abs. 1). Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen und
die Kriegsmarine giebt, wenn im Bundesrath eine Meinungsver-
schiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den Aus-
schlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden
Einrichtungen ausspricht“. — „Hätte durch Alinea 1 (sc. des
Art. 17) dem Bundespräsidium etwa schlechthin ein Veto ein-
geräumt werden sollen“ — so fährt der Verfasser fort —, „dann
hätte Art. 5 die Uebereinstimmung der Melhrheitsbeschlüsse
beider Versammlungen zu einem Bundesgesetze nicht für »aus-
reichend« erklären dürfen, vielmehr noch die Zustimmung des
Bundespräsidiums als erforderlich bezeichnen müssen, und Alinea 2
des Art. 5 wäre ebenso überflüssig gewesen, wie die ihm ähn-
liche Bestimmung in Art. 37. Das in Art. 5 und 37 dem Bundes-
präsidium ausdrücklich beigelegte Veto hat ganz unverkennbar
den Charakter einer Ausnahmebestimmung und bestätigt daher die
Regel, dass in anderen Fällen, als in den von Art. 5, Abs. 2 und
Art. 37 vorgesehenen, das Bundespräsidium ein vom Bundesrath
und Reichstag beschlossenes Gesetz ohne Weiteres zu ver-
künden hat.“
Dies das Erste und mit das Beste, was über die Frage
geschrieben ist. Die Literatur hebt also an mit der Procla-
mirung der „ohne Weiteres“ vorzunehmenden Verkündigung,
der unbedingten Verkündigungspflicht des Präsidiums bei über-
einstimmenden Mehrheitsbeschlüssen von Bundesrath und Reichstag.
Das nächste Jahr 1868 brachte den Widerspruch und schuf