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ihm vorausgegangene Einrichtung der aus dem Mittelalter stammen-
den Stände zu Grunde.
Auch sei noch bemerkt, dass eine andere Idee der Volks-
vertretung, nämlich die nach localen Abtheilungen des Landes,
also nach Gemeinden, Distrikten und Provinzen, für die Volks-
vertretung nur insoferne eine Anwendung gefunden hat, als sich
auch die allgemeinen Wahlen nach den bezeichneten beiden Haupt-
systerınen an die bezeichneten localen Verbände anschliessen müssen
und als die Decentralisation und das Selbstgouvernement zu parti-
cularen Vertretungen, natürlich ohne der Gesammtvertretung zu
präjudieiren und also nur mit consultativer Bedeutung, geführt
haben.
Geht aus dem Angeführten schon hervor, dass je nach dem
System des Constitutionalismus in Beziehung auf seine Form und
auf sein Verhältniss zur Staatsform das Urtheil über denselben
sehr verschieden ausfällt, so ist auch abgesehen hiervon die An-
sicht über dessen Bedeutung eine sehr mannigfaltige. Denn die
Einen erkennen darin überhaupt alles mögliche Gute, das höchste
Ziel staatlicher Entwicklung, die Panacee für alles erdenkliche
Uebel. Andere wollen darin das gerade Gegentheil finden; wieder
Andere ein unklares, unlauteres, unehrliches, halbes und schwäch-
liches Ding, gut genug um damit gewisse Zwecke zu erreichen,
ein momentan unvermeidliches Mittel, ein grösseres Uebel durch
ein kleineres zu beseitigen, in sich selbst aber ohne dauernde
innere Berechtigung.
So gibt es manche, welche in dem Constitutionalismus nur
einen fremden Import, eine blinde Nachahmung erkennen und sie
mit demselben Tadel belegen, den sie kritiklos für alle Reception
fremder Einrichtungen, Sitten u. s. w. in Bereitschaft haben,
freilich ohne zu bedenken, dass ein Oulturvolk nicht ein auto-
didaktisches sein kann, dass jede Oultur auf den Schultern voraus-
gegangener Völker, Culturperioden steht, dass die Geselligkeit
und die Bildung durch sie den Völkern ebenso unentbehrlich ist wie